Giftiges Geheimnis

Greenpeace klagt gegen Künasts Verbraucheramt BVL: Es soll die Namen der Hersteller nennen, die giftige Nonylphenol-Verbindungen verwenden

aus Berlin MATTHIAS URBACH

„Akten bleiben nicht mehr zu.“ Das erklärte gestern Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) stolz, nachdem das Kabinett ihr Produktsicherheitsgesetz verabschiedet hatte. Mit diesem will sie es ihren Behörden ermöglichen, Kunden über gefährliche Gerätemängel aufzuklären. In anderen wichtigen Fragen aber hält sie ihre Akten weiterhin verschlossen. Und drängt damit Greenpeace zur Klage.

Seit 16 Monaten versuchen die Umweltaktivisten vergeblich, von Künasts nachgeordneter Behörde, dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), zu erfahren, welche Pestizidhersteller in ihren Mitteln noch Nonylphenolethoxylate, kurz NPEs, verwenden.

NPE baut sich rasch zu Nonylphenol (NP) ab, einem hormonell wirkenden Gift, das nur schwer abbaubar ist und sich in der Nahrungskette anreichert. Doch BVL-Präsident Christian Grugel verweigert die Auskunft – mit Rückendeckung aus dem Ministerium. „Der Datenschutz steht dagegen“, so Grugel zur taz. „Ich habe das von meinen Juristen prüfen lassen – die Hersteller hätten uns sonst verklagt.“

Nun hat Grugel die Greenpeace-Klage auf dem Hals. Deren Anwalt Michael Günther ist der Meinung, dass das Umweltinformationsgesetz (UIG) die Behörden zur Auskunft verpflichtet. Greenpeace-Chemie-Experte Manfred Krautter kann Grugel und Künast nicht verstehen. „Ich erwarte von einem Verbraucherschutzministerium, dass es eher eine Klage der Industrie in Kauf nimmt als der Verbraucher.“

NPE reichert sich vor allem in Fischen, Muscheln und Krebsen an, aber auch in Muttermilch. In Stichproben fand das Forschungszentrum Jülich letztes Jahr Nonylphenol-Rückstände auch in der Nahrung: vor allem in Äpfeln, Tomaten, Schokolade und Wurst. Obwohl nur sechs Prozent der produzierten NPEs als Emulgatoren in Pestiziden verwandt werden, hält Greenpeace diese für die wesentliche Quelle der Belastung unserer Nahrung. Sie will die Liste der NPE-haltigen Pestizide veröffentlichen, um Bauern ein Ausweichen zu ermöglichen.

Bereits 1992 ächtete die Ospar-Konferenz der Nordseeanrainer NP wegen seiner hormonellen Wirkung: Austern verwandeln sich bei schon kleinsten Dosen im Wasser zu Zwittern, die keinen lebensfähigen Nachwuchs mehr zeugen können.

Ironie der Geschichte: Eigentlich schätzt Grugel NP ebenso kritisch ein wie Greenpeace. Es sei „nicht vernünftig“, NPEs noch zu verwenden. Einige Hersteller seien auf Einwirken des BVL umgeschwenkt. „Aber es gibt keine rechtliche Handhabe, das in der EU schnell umzusetzen.“ Die EU will den Pestizidherstellern noch bis zu zehn Jahre mit dem Ersatz von NPEs Zeit geben.