Türkei, nein danke

Unerfreulicher Abschied für Erdogan: Union macht Nein zum EU-Beitritt der Türkei zum Wahlkampfthema. Merkel diplomatischer als Stoiber

BERLIN taz ■ Nach dem betont freundlichen Empfang durch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Außenminister Joschka Fischer (Grüne) hatte der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan gestern einen schwierigeren Termin. Zum Abschluss seines Deutschlandbesuchs traf er sich mit CDU-Chefin Angela Merkel in Berlin. Die Union hatte schon vorher deutlich gemacht, was sie von Erdogans Ziel, dem EU-Beitritt seines Landes, hält: Nichts.

„Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei kommen nicht in Betracht“, ließ CSU-Chef Edmund Stoiber wissen. Merkel drückte sich etwas weniger kategorisch aus und nannte eine Aufnahme der Türkei „zum jetzigen Zeitpunkt eine Überforderung der EU“. Die CDU sei „skeptisch“. Während Merkel nach ihrem Gespräch mit dem Gast aus der Türkei fröhlich lächelte, blieb Erdogan ernst. Kein Wunder: Merkel ignorierte seine Bitte, den EU-Beitritt der Türkei „nicht als Wahlkampfstoff zu nutzen“. Natürlich werde man das Thema im Europawahlkampf 2004 ansprechen, sagte Merkel. Allerdings werde dies „im Geiste der Freundschaft unserer Länder“ geschehen. Darauf darf man gespannt sein. Der baden-württembergische Regierungschef Erwin Teufel (CDU) erklärte gestern, die Türkei sei kein europäisches Land, 95 Prozent des Staatsgebietes lägen in Asien. Wenn Schröder für einen Beitritt der Türkei plädiere, müsse er auch „die Frage beantworten, ob die Ukraine, Marokko oder Israel ebenfalls Mitglieder der Europäischen Union werden können“.

Erdogan war nach diesen und ähnlichen Äußerungen sichtlich um Contenance bemüht. Er sei sich sicher, sagte Erdogan, dass es bei weiteren Gesprächen mit der CDU zu einer Annäherung kommen werde. Ob seine Hoffnung begründet ist, wird sich im kommenden Frühjahr zeigen. Merkel nahm eine Einladung in die Türkei an – und hatte dann doch noch ein überraschendes Angebot parat. Man könne darüber reden, ob die CDU künftig mit Erdogans islamisch ausgerichteter Partei AKP „in der europäischen Parteienfamilie“ zusammenarbeiten könne.

LUKAS WALLRAFF

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