: Deutschland ist gut fürs Kapital
Ausländische Direktinvestitionen nehmen hierzulande zu, während sie weltweit sinken. Bundesrepublik auf Platz 4 der globalen Liste der attraktivsten Staaten – vor den USA und Großbritannien. Rot-grüne Steuererleichterungen locken Kapital
aus Berlin HANNES KOCH
Deutschland ist bei internationalen Kapitalinvestoren zunehmend beliebt. Im Jahr 2002 rückte die Bundesrepulik auf Platz 4 der Weltrangliste der Länder mit den größten Geldimporten vor. Nur in Luxemburg, China und Frankreich legten transnationale Konzerne mehr Finanzmittel an als hierzulande. Das geht aus dem Weltinvestitionsbericht 2003 hervor, den die UN-Organisation für Handel und Entwicklung (Unctad) gestern vorgelegt hat.
„Deutschland ist ein attraktiver Standort“, sagte Urda Martens-Jeebe, die Chefin der bundeseigenen Marketing-Agentur Invest in Germany GmbH. Es gebe zwar noch Reformbedarf, doch „die Rahmenbedingungen sind positiv“. 38 Milliarden Dollar flossen 2002 nach Deutschland, 4,1 Milliarden mehr als ein Jahr zuvor. Das Geld legten ausländische Kapitalbesitzer vor allem als Beteiligungen in hiesigen Firmen an. Zum Vergleich: Am Finanzplatz Luxemburg wurden 125,6 Milliarden Dollar angelegt, in China 52,7 Milliarden und in Frankreich 51,5. Großbritannien und die USA lagen hinter Deutschland – ein Jahr zuvor konnten sie noch höhere Zuflüsse vorweisen.
Die Summen ausländischer Direktinvestitionen in der Bundesrepublik sind vor allem deshalb gestiegen, weil die Branchen Telekommunikation und Energie liberalisiert wurden. Das Engagement des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall bei der ostdeutschen Veag ist ein Beispiel für eine Direktinvestition. Positiv ausgewirkt haben sich nach Einschätzung von Martens-Jeebe aber auch die rot-grünen Steuererleichterungen für Unternehmen. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) hat die Gewinnsteuer für Firmen auf 25 Prozent gesenkt und die Steuer auf den Verkauf von Beteiligungen abgeschafft.
Die hiesige Entwicklung ist umso erstaunlicher, als die weltweiten Direktinvestitionen stark zurückgehen. Transnationale Konzerne haben im vergangenen Jahr 651 Milliarden Dollar im Ausland investiert, 20 Prozent weniger als 2001. Im Jahr der Attacken des 11. September waren die Investitionen bereits um 40 Prozent gesunken. Im Jahr 2002 stand mit „China erstmals ein Entwicklungsland“ ganz vorne auf der globalen Investitionsliste, sagte Jörg Simon von der Unctad. Dort nahmen die Geldzuflüsse deutlich zu – wie im Übrigen auch in Malaysia, Pakistan, Tschechien, Slowenien und der Slowakei. Die USA und Großbritannien waren mit Rückgängen um 80 und 60 Prozent am stärksten von der Zurückhaltung der Investoren betroffen.
Die Ursachen für die weltweite Flaute sieht die Unctad im geringen Wachstum und den drastisch gesunkenen Aktienwerten. Die großen Unternehmen seien damit weniger profitabel und es fehlten ihnen die Mittel, im Ausland Beteiligungen erwerben. „Die Aussichten für eine Erholung im Jahr 2003 sind bestenfalls unsicher“, sagte Unctad-Experte Simon. Für 2004 rechnet die Organisation mit einer „Trendwende“.
Um den Rückgang zu stoppen, setzte sich Hans Kausch vom Bundeswirtschaftsministerium für den „behutsamen Einstieg in ein internationales Investitionsabkommen“ ein. Das Thema wird bei der Welthandelskonferenz debattiert, die kommende Woche im mexikanischen Cancún beginnt. Ein globales Abkommen solle verlässliche Regulierungen dort schaffen, wo heute noch ein Durcheinander von Verträgen zwischen einzelnen Staaten herrsche. Der letzte Versuch, ein multilaterales Investitionsabkommen (MAI) durchsetzen, war 1998 unter anderem am Widerstand der Globalisierungskritiker gescheitert.
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