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Archiv-Artikel

Ein Kleid, aus dem nichts raus fällt

Im Viertel gibt es neben Heititeiti-Schnickschnackläden auch ein Fachgeschäft für Frauen, für die Mode vor allem eins sein muss: tragbar. Die Designerin Kirstin Kirchhoff entwirft schnörkellos schöne Kleidung zu fairen Preisen

„Was nützt es, wenn ich nicht weiß, wann ich etwas anziehen soll?“

Shoppingtour durchs Viertel: Alles, was das Herz begehrt, ist ein Kleid oder auch ein Rock, ein schlichtes Kleidungsstück, das seinen Zweck des Angezogenseins erfüllt und der Trägerin darüber hinaus das Gefühl gibt, so auszusehen, wie sie sich fühlt: Nämlich verdammt gut. Und dann das: Die Verkäuferin, der ihre Essstörung ins Gesicht geschrieben steht, redet gerade der Kundin in der Nachbarkabine gut zu, den Fetzen Stoff zu erstehen, auch wenn sie darin aussieht, als könnte sie sich das Preisschild (150 Euro) auch gleich an die Stirn kleben. „Supersüß“ würde das aussehen und wenn sie einen selbstklebenden Klarsicht-BH darunter anzieht, würde es auch so wirken, wie es soll: Als hätte sie einen Busen wie frisch aus Silikon gegossen.

So nicht. Gibt es denn keine Klamotten für die Frau, die nichts gegen einen bewundernden Blick einzuwenden hat, aber der sich die Fußnägel rollen, wenn sie angegafft wird? Doch, gibt es, sogar im Viertel. Nicht auf dem schnieken Ostertorsteinweg, sondern um die Ecke, am Dobben. „MD 82“ – wie Modedesign und Hausnummer 82 – heißt der Laden der jungen Designerin Kirstin Kirchhoff. Außer ihren eigenen Sachen – die sowohl selbst entworfen als auch selbst geschneidert sind – verkauft sie auch Stücke aus der Kollektion zweier Hamburger Kolleginnen. Zu Preisen, die den Herstellern der in Südostasien zusammengetackerten Klamotten die Schamesröte ins Gesicht treiben müsste: Oberteile kosten zwischen 40 und 50 Euro, Röcke um die 70 Euro.

Als Kirchhoff vor zwei Jahren ihr kleines Geschäft eröffnete, stand für die 31-Jährige fest, dass ihre Sachen bezahlbar sein sollen. Schließlich wollte sie Kleidung entwerfen für Frauen wie sich selbst, die nicht das nötige Kleingeld für teure Designerkostüme haben – dafür aber Spaß an Mode und Kleidung jenseits der in der Innenstadt feil gebotenen Massenware. Und die mehr Wert auf einen guten Schnitt legen als auf kreischende Muster und wilde Extras. Während ihre beiden Kolleginnen hier und da ein paar verspielte Details wie zusätzliche Taschen oder einen Knopf einfügen, sind Kirchhoffs Entwürfe wie sie selbst: Gerade heraus, ohne überflüssige Schnörkel. Auch die Farben sind eher zurückhaltend. Ungewöhnlich werden die Stücke durch den Materialmix: So ziert zum Beispiel ein Saum aus Karomuster ein jeansblaues Kleid.

„Ich mag nur sehr tragbare Sachen“, sagt Kirchhoff. Tragbar im doppelten Sinn: „Was nützt es, wenn ich nicht weiß, zu welcher Gelegenheit ich etwas anziehen soll?“, fragt sie. Außerdem dürfen die Sachen nicht unbequem sein. So ist kein Rock so eng, dass man sich darin nicht mehr bewegen kann. Dennoch sind die meisten Stücke figurbetont: „Man braucht nicht Größe 32 zu haben, aber wer seinen Körper verstecken will, für den ist das nichts.“

Sie habe festgestellt, dass die meisten Männer und auch Frauen einfach gerne gucken würden, erzählt Kirchhoff. „Aber im Sinne von ‚wow, das sieht klasse aus‘“. Das krasse Gegenteil ist für sie Kleidung, bei der die Trägerin Angst haben muss, „da fällt gleich etwas heraus“ oder „Hilfe, mein Rock ist zu kurz“. Auf den Punkt gebracht: „Man soll sich angezogen fühlen.“ Und wenn irgendetwas nicht stimmt, wenn Kirchhoff das Gefühl hat, eine Kundin und ein Kleidungsstück passen nicht zusammen, dann sagt sie das auch. „Was nützt es mir, wenn die Sachen nicht getragen werden?“ Eiken Bruhn

„MD 82“: Am Dobben 82, geöffnet Montag bis Freitag von 12 bis 19 Uhr, samstags 11 bis 16 Uhr. Auch Schmuck, Taschen und andere Accessoires.