: Der Kampf mit der Uhr
Die Stunden am Arbeitsplatz haben abgenommen. Aber nicht zuletzt deshalb steigt der Druck, das Pensum zu schaffen. Seine Zeit effektiv einzuteilen will gelernt sein, mit dem richtigen Management
von TILMAN VON ROHDEN
Nach einem Bericht des Manager-Magazins arbeiten Beschäftigte 250 Stunden weniger im Jahr als vor zwei Jahrzehnten. Ein Rekordtief, so das Magazin. Zugleich wächst am Arbeitsplatz der Druck. Immer mehr Menschen stehen vor der Schwierigkeit, das geforderte Pensum in der vorgegebenen Zeit zu leisten. „Viele arbeiten mit dem Eindruck, zu viel machen zu müssen. Sie kommen am Arbeitsplatz nicht klar“, sagt die Dozentin für Zeitmanagement bei der TÜV Nord Akademie in Hamburg, Katrin Hahn. Früher im Personalbereich tätig, empfiehlt sie in solchen Situationen, sich mit Zeitmanagement zu beschäftigen. „Das Ziel ist es, die Stunden und Minuten anders zu nutzen, um mehr zu erzielen.“
Zeitmanagement war früher in erster Linie die Vermittlung von Arbeitstechniken. Da wurde gebimst, wie ein Terminplaner zu führen ist, sodass der Kopf für das Wesentliche frei bleibt, die Aufgaben in die Kategorien A, B, C einzuteilen, damit die wirklich wichtigen A-Aufgaben nicht aus dem Blick geraten, nach welchen Prinzipien der Schreibtisch und die Festplatte des Rechners zu organisieren ist oder wie man der E-Mail-Flut Herr wird. Ursula Hilpertshauser vom Berliner Beratungsunternehmen für Zeitmanagement Open.Net sagt, dass die Vermittlung Arbeitstechniken in ihren zweitägigen Seminaren durchschnittlich rund 50 Prozent ausmacht.
Doch aufgrund einer gewandelten Unternehmenskultur und neueren Methoden der Mitarbeiterführung, die auf das Erreichen bestimmter vorgegebener Ziele statt auf die Fixierung eng begrenzter Aufgaben setzten, sei die Freiheit am Arbeitsplatz größer geworden. „Das Selbstmanagement spielt heute eine größere Rolle. Die gilt insbesondere für immer mehr outgesourcte Mitarbeiter, die viel am heimischen Schreibtisch arbeiten. Sie brauchen die Fähigkeit zur Selbstorganisation.“
Deshalb reden Dozenten für Zeitmanagement genauso flüssig über Werthaltungen, persönliche Einstellungen und Lebensziele wie über das Kleinklein eines geordneten Karteikastens. „Bei Führungskräften ist heute mit der Arbeit meist auch die Frage verknüpft: Wo will ich hin? Welche persönlichen Werte möchte ich mit meiner Arbeit umsetzen, und wie können Werte und berufliche Ziele in Einklang gebracht werden“, sagt Ursula Bannier, studierte Psychologin und Dozentin für Zeitmanagement bei IME Institut für Management-Entwicklung in Bielefeld. „Da das Wohlbefinden am Arbeitsplatz durch persönliche Einstellungen geprägt wird, muss die Person miteinbezogen und reflektiert werden.“ Beheben könne man in Seminaren für Zeitmanagement Probleme am Arbeitsplatz nicht, wohl aber die Ursachen bewusst machen und Anregungen zur Lösung geben. Dies geschehe im Gespräch mit Dozenten, im Austausch mit anderen Seminarteilnehmern oder in schriftlicher Form.
Nach Bannier gibt es Unterschiede im Verhalten von Männern und Frauen. Während Frauen ihre Zeit nicht optimal nutzen würden, weil sie nur schlecht nein sagen könnten zu unangemeldeten Besuchern, den berüchtigten klitzekleinen Bitten und anderen Arbeitsstörungen, hätten Männer zuweilen die Art, alles genau wissen zu wollen, auch dann, wenn es für die eigene Arbeit nicht unbedingt relevant ist. „Dies sind Punkte, an denen Einstellungen auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden sollten“, so Bannier.
Dazu gehört auch der Perfektionismus am Arbeitsplatz. „Er ist oft übertrieben und manchmal irrational“, sagt Bannier. Arbeit solle gründlich sein, aber auch hier gelte es zu differenzieren. Vom übertriebenen Perfektionismus seien insbesondere Lehrer betroffen, hat Hilpertshauser festgestellt. Ihre Seminare richtet sie vornehmlich für die Branchen Banken und Versicherungen sowie Informationstechnik aus – und einmal pro Jahr für Pädagogen. Deren Unterrichtsvorbereitung sei manchmal zu akribisch, sodass Lehrer dann „zu viel und zu lange arbeiten“. Auffällig an dieser Berufsgruppe sei die „Resistenz gegen den Einsatz moderner Bürotechnik wie Internet“. Dies liege vielleicht auch daran, dass sich kaum junge Lehrer in ihren Kursen blicken ließen. „Die klagen über Zeitmangel“, schmunzelt Hilpertshauser.
Zeitmanagement isoliert nicht Berufs- und Privatsphäre, sondern betrachtet beide Bereiche als Einheit. „Denn was man für den Beruf macht, macht man letztlich für sich selbst“, so Hilpertshauser. Dieses Bild von Erwerbsarbeit ist die Grundlage vieler Dozenten für Zeitmanagement. Weiter gedacht: Da Hausfrauen über viel Zeit souverän und ohne Kontrolle verfügten, „kann Zeitmanagement ihnen durchaus Angebote zur Bewältigung ihres Lebens machen“.