: Behörde: Elbvertiefung ohne Folgen
Monitoring zum Fahrrinnenausbau von 1999: Der Effekt der Baggerei war im Allgemeinen geringer als prognostiziert, zuweilen verlieren sich mögliche Veränderungen in der komplexen Struktur natürlicher Schwankungen
Von Gernot Knödler
Die Elbvertiefung von 1999 hat den Strom weniger gravierend verändert als befürchtet. Das geht aus dem aktuellen, dritten Bericht zur Beweissicherung hervor, mit der die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord (WSD) die Veränderung des Flusses dokumentiert. Auch eine nochmalige Vertiefung um einen weiteren Meter, wie sie unter anderem der Hamburger Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) fordert, wäre nach einer ersten Einschätzung der Behörde hochwasserneutral, ökologisch vertretbar und überdies sehr rentabel. Aus der Hafenwirtschaft ist inzwischen sogar die Forderung nach einer Vertiefung um weitere 1,50 Meter zu hören. Der Umweltverband BUND verweist darauf, dass das Monitoring bisher nur einen kurzen Zeitraum von maximal drei Jahren abdeckt und dass selbst kleinste Wasserstandsänderungen große ökologische Folgen haben können.
Als grundlegende Kenngrößen dokumentiert der Beweissicherungsbericht Veränderungen bei den Wasserständen und der Topographie. Beides hängt zusammen: In einem vereinfachten Modell geht die WSD davon aus, dass zum Beispiel eine Erhöhung des Tidehochwassers um zwei bis drei Zentimeter ufernahe Biotope wie Auwald oder Röhricht um 3,5 Prozent verkleinern würde. Ausweichen können diese Biotope nicht, weil sie landseitig am Deich enden.
In der Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU) zur 99er Elbvertiefung um 80 Zentimeter war ein Anstieg des mittleren Tidehochwassers um maximals vier und ein Sinken des mittleren Tideniedrigwassers um bis zu sieben Zentimeter prognostiziert worden. Die gemessenen Werte bewegten sich in diesem Rahmen. Dabei sei das Hochwasserniveau sogar überhaupt nicht angestiegen, sondern allenfalls leicht gesunken. „Daraus ist zugleich ableitbar, dass auch die Sturmflutwasserstände durch den Fahrrinnenausbau nicht negativ beeinflusst wurden“, heißt es in dem Bericht.
Denn eine Fahrrinnenvertiefung lasse eine Sturmflut wegen der gewaltigen Wassermassen weniger stark steigen als das mittlere Hochwasser. Die Verteilung von Vorland, Watt, Flach- und Niedrigwasserzonen hat sich dementsprechend kaum verändert. Ein Vergleich der Topographien von 1995 und 1997 bis 2002 zeige „nur ausgesprochen geringfügige Schwankungen der Verteilung der definierten Struktureinheiten“. Ein klarer Entwicklungstrend sei jedoch nicht auszumachen.
Aussagen über die Verschiebung der Brackwasserzone und die Veränderung der Artenvielfalt an Land ließen sich aufgrund des kurzen Untersuchungszeitraums nicht treffen. Ähnliches gilt für die Tierpopulationen auf dem Flussgrund der Unterelbe wie Würmer, Schnecken und Krebse. Hier ließen die bisherigen Befunde den Schluss zu, dass „das System irgendwann einem dem Status quo ante vergleichbaren Zustand entsprechen wird“. Die Bagger- und Verklappungsabschnitte der Außenelbe seien 2002 wieder durch eine ähnliche Gemeinschaft besiedelt gewesen wie bereits im Jahr 1999.
Das Vorkommen an Fischen wurde gar nicht untersucht, weil messbare Änderungen nur für die Finte prognostiziert wurden. In deren Hauptlaichgebiet sei aber während der Laichperiode weder gebaggert noch verklappt worden.
„Sie kriegen keinen kausalen Nachweis hin, dass die letzte Elbvertiefung den Fischbestand verändert hat“, sagt Thomas Gaumert, der Leiter der Wassergütestelle Elbe, über die Hamburg in der länderübergreifenden Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung der Elbe mitarbeitet. Dafür seien die natürlichen Schwankungen zu groß. Der Fischartenreichtum in der Elbe habe jedoch seit der Wende zugenommen, weil durch die Entgiftung des Flusses das Nahrungsangebot in Form von Algen gewachsen sei. Einige Arten seien aber wohl erst durch moderne, besonders intensive Fangmethoden entdeckt worden.
Mit dem Algenwachstum oberhalb Hamburgs erklärt Jörg Osterwald von der WSD auch das sommerliche Sauerstoffloch in der Elbe. Viele Bauern, die ihre Felder düngen, speisen die Algen in der Elbe gleich mit. Die Algen treiben den vergleichsweise flachen Strom hinab, um im Hamburger Hafen jäh ins seeschifftiefe Wasser zu geraten, wo sie mangels Licht absterben. Ihre Verwesung frisst den Fischen den Sauerstoff weg. Das Problem wird dadurch verschärft, dass im Sommer nur wenig sauerstoffreiches Wasser vom Oberlauf nachströmt.
„Die Vertiefung erhöht weder das Sauerstoff-Zehrungspotenzial noch verringert sie den Sauerstoff-Eintrag“, sagt Osterwald. Der Sauerstoff nämlich werde durch Turbulenzen an der Wasseroberfläche eingetragen, die sich durch die Vertiefung nicht veränderten. Eine Vertiefung der drei- bis vierhundert Meter breiten Fahrrinne im ohnehin schon tief ausgebaggerten Fluss verändere das Verhältnis des Wasserkörpers zur Wasseroberfläche nur unwesentlich. „Die ersten fünf Meter sind – vom natürlichen Fluss ausgehend – die problematischsten“, konzediert Manfred Braasch vom BUND.
Veränderungen der Fließgeschwindigkeit konnten nach der jüngsten Elbvertiefung ebenfalls nicht mit Sicherheit dem Ausbaggern zugeordnet werden. Zu stark variiere die Strömung zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Stellen. Klar sei, dass sich die Strömung durch das Ausbaggern beschleunige, sagt Osterwald. Denn durch das Baggern werde die Flusssohle glatter. Die Wasserbauer versuchten deshalb, der Strömung künstliche Hindernisse entgegenzusetzen. Nach dem Plan für die neue Vertiefung sollen mit dem Baggergut an der Außenelbe unterhalb von Brunsbüttel sowie möglicherweise bei Hanskalbsand künstliche Flachwasserzonen angelegt werden, um den Strom zu bremsen.