: Dabei sein ist nicht alles
Keine deutsche Stadt schickt mehr Olympioniken nach Athen: 60 SportlerInnen aus Berlin sind ab heute auf der Jagd nach den Edelmetallen. 17 Medaillen sind „drin“, dank guter Förderung
VON ALENA SCHRÖDER
Mit dem lockeren Rumhängen im Olympischen Dorf ist jetzt Schluss: Ab heute geht es für 60 Berliner SportlerInnen in Athen um alles. Von wegen „Dabei sein ist alles!“ „Das wäre schon ein bisschen wenig“, sagt Jochen Zinner, Leiter des Berliner Olympia-Stützpunktes. Von den 24 Frauen und den 36 Männern, die zum insgesamt 452 Mitglieder starken deutschen Olympia-Team zählen, werden schlichtweg Weltbestleistungen erwartet. „Es muss nicht immer eine Medaille sein, aber jeder sollte versuchen, so gut wie nie zuvor zu sein“, sagt Zinner einfach.
Keine andere Stadt in Deutschland schickt so viele SportlerInnen nach Athen wie Berlin. Von den 60 fahren 36 zum ersten Mal zu olympischen Spielen. 10 weitere haben bereits olympische Medaillen im Schrank, 12 Athleten sind amtierende Welt- oder Europameister in ihrer Sportart.
Dazu hat Berlin einiges an Sportprominenz zu bieten: Neben Franziska van Almsick und Sandra Völker, die für das Deutsche Schwimmerteam an den Start gehen, werden Jens Voigt auf dem Fahrrad und Britta Oppelt im Ruderboot prominenten Schweiß verströmen.
Der Grund für die ansehnliche Bilanz: „Berlin hat eine lange Sporttradition und ein umfangreiches Leistungssport- und Nachwuchsfördersystem“, sagt Zinner. „Jedes Kind, das gerne schwitzt, hat in dieser Stadt eine Anlaufstelle.“ Rund 100 Talentzentren für Kinder gibt es in Berlin, 3 Sport-Eliteschulen mit mehr als 2.500 Schülern, dazu 30 Landesleistungszentren. „Was könnte für ein junges Talent motivierender sein, als mit Franzi im selben Becken oder auf der Bahn neben Claudia Pechstein zu trainieren“, schwärmt Zinner.
Die Alterspanne der Berliner Olympioniken ist breit: Mit 16 Jahren ist die Wasserspringerin und frisch gebackene Europameisterin Nora Subschinski die Jüngste im Berliner Team. Der älteste Teilnehmer ist der 41-jährige Sportschütze Axel Wegner: Olympisches Gold hat er schon 1988 bei den Spielen in Seoul gewonnen.
Im Übrigen stemmen 23 der Berliner AthletInnen neben ihrem Training noch ein Hochschulstudium – und das hat nicht unbedingt mit Sport zu tun: Die Hockeyspielerin Badri Latif studiert Medizin, Judo-Kämpferin Uta Kühnen paukt in ihrer sportfreien Zeit für das Fach Lebensmitteltechnologie, Wasserballspieler Marc Politze ist an Land BWL-Student.
Für die Zukunft wünscht sich der Chef des Olympiastützpunktes Zinner, dass die Sportbegeisterung der Landespolitiker nach den Olympischen Spielen nicht wieder abflaut: „Sport ist kein Konjunkturgeschäft“, sagt er. „Sportler müssen über Jahre kontinuierlich gefördert werden, nicht nur, wenn es politisch gerade opportun ist.“ So sei zum Beispiel die Schwimmhalle im Sportzentrum dringend renovierungsbedürftig. Wegen finanzieller Engpässe könnten Trainer meist nur mit Zeitverträgen beschäftigt werden, „das rächt sich irgendwann in der Leistung der Nachwuchsathleten“, warnt Zinner.
Diese Olympischen Spiele werden Berlin auf jeden Fall einiges an sportlichem Edelmetall bescheren. 17 Medaillen, davon vielleicht 4 goldene, erhofft sich der Olympiamanager Zinner. „Dazu werden wir ein bisschen Glück brauchen“, sagt er. „Reiner Zufall wird es aber auch nicht sein.“