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Archiv-Artikel

Er läuft und läuft und läuft …

Der „Zündfunk“, Deutschlands dienstälteste Jugendsendung, hat in 30 Jahren beim Bayerischen Rundfunk Haltung und Qualität bewahrt. Nun wird über einen behutsamen Ausbau nachgedacht

AUS MÜNCHEN JÖRG SCHALLENBERG

Die Monika Hohlmeier muss schon in die Sendung, bloß wie? Die Zeitungen käuen ja seit Tagen das Gleiche wieder. Man könnte mal ein paar junge Leute fragen, warum sie jetzt, da die Münchner CSU im tiefsten sumpf versinkt, in die Junge Union eintreten, lautet ein Vorschlag aus der Runde. „Gute Idee“, findet die Chefin, „machen wir“. Weiter, was gibt es noch? In Köln läuft ein Popkongress, der US-Obergrüne Ralph Nader lässt sich angeblich von rechten Organisationen finanzieren, es startet eine Gegenaktion zu der Neonazi-CD, die angeblich auf Schulhöfen verteilt wird, und dann muss da unbedingt noch diese spannende neue Band aus München vorgestellt werden …

Es ist Freitagmittag kurz nach 12 Uhr, und im 16. Stock des Bayerischen Rundfunks an der Münchner Arnulfstraße drängt sich wie jede Woche ein bunter Haufen Anfangzwanziger bis Enddreißiger auf Stühlen, Sofas und dem abgewetzten Teppichboden, um die nächste Woche des Zündfunks zu planen. Von Montag bis Samstag bastelt die Redaktion jeden Tag von 19 bis 21 Uhr und ab 23 Uhr (dann auch sonntags) drei Stunden Programm zwischen Pop, Politik, Szene und Jugend zusammen, wie es sie sonst im öffentlich-rechtlichen Deutschland nicht mehr gibt. In diesen Tagen feiert der Zündfunk seinen 30. Geburtstag – so lange hat noch keine Jugendsendung in Deutschland durchgehalten, geschweige denn ihre Tugenden bewahrt. Warum eigentlich?

Das bayerische Unikum ist, wie seine Chefin Ulrike Ebenbeck sagt, „ein kompletter Anachronismus“. Ein guter Grund. Denn sonst sieht es in den Radiolandschaften zwischen NDR, WDR und MDR so aus: Manches, was beim Zündfunk von den neuen Mitgliedern der Jungen Union bis zur neuen CD von Sonic Youth an journalistisch und erst recht musikalisch anspruchsvollen Inhalten komprimiert wird, findet sich anderswo mit viel Glück verstreut im 24-Stunden-Dauerfeuer der locker-flockig-frechen Jugendwellen von N-Joy bis EinsLive wieder. Oder säuberlich nach Sparten getrennt im Kulturprogramm und in den Politiksendungen. Oder, meistens, nirgendwo. Das war, komisch, früher genauso.

Als der Zündfunk am 2. Januar 1974 erstmals im BR ausgestrahlt wurde, lief er als „halbstündiges, politisch orientiertes Magazin“, wie sich der Journalist Karl Bruckmaier erinnert, Hörer der ersten und Redakteur der zweiten Stunde.

Dazu gab es noch den „Club 16“, der neue Musiktrends aufspürte und den „Pop Sunday“, der sich vor allem mit Literatur beschäftigte. 1978 wurden alle drei Sendungen zusammengefasst, und der heutige, quasi ganzheitliche Zündfunk entstand. Zu jener Zeit, erinnert sich Bruckmaier, bot die Sendung konkrete „Lebenshilfe für Jugendliche“, ob es nun um Verhütung ging oder um Tipps zur Gründung von alternativen Jugendzentren in der erzkatholischen Einöde. Bruckmaier hat für eine Retrospektive des Zündfunks, die den ganzen August über mit diversen Originalbeiträgen und Zeitzeugen ausgestrahlt wird, Unmengen an Bändern durchgehört. In den Achtzigern, so konstatiert er, wandelte sich der Ansatz zu einer Art „Gegenöffentlichkeit“, die so unvoreingenommen über jugendliche Subkulturen oder Anti-Atomkraft-Demos in München berichtete, wie es, die Süddeutsche Zeitung eingeschlossen, kein anderes Medium in Bayern konnte oder wollte.

Konflikte mit der Staatspartei CSU waren da lange ebenso an der Tagesordnung wie Kompetenzreibereien innerhalb des Funkhauses, doch zugleich fehlte es nie an der nötigen Rückendeckung im BR. Zündfunk-Chefin Ulrike Ebenbeck findet, „dass man den Sender ausdrücklich loben muss für seine Haltung, sich diese Sendung im Umfeld eines gehobenen Wortprogramms zu leisten“. Mit allen Vor- und Nachteilen: Zum einen fordert schon die Platzierung auf Bayern 2 ein hohes inhaltliches Niveau, was die Redaktion sehr erfreut, zum anderen bleibt man dort auf ewig ein Nischenprogramm, das zwischen 20.000 und 60.000 Hörerinnen und Hörer (auf Kabel und unter www.zuendfunk.de weit über Bayern hinaus) regelmäßig einschalten – die Ergebnisse der Quotenmessungen sind selbst innerhalb des BR umstritten.

An Relevanz und Kompetenz vor allem im Musikbereich mangelt es trotzdem nicht: Als der Zündfunk im Frühjahr eine Reihe von Independent-Bands zu einem Festival namens „Bavarian Open“ ins Funkhaus einlud, wurde die Veranstaltung von interessierten HörerInnen geradezu überrannt. Kein Wunder also, dass die Redaktion seit langem mit dem Gedanken spielt, rund um die eigene Sendung eine ganze Jugend- und Musikwelle aufzufächern.

Die BR-Spitze, wie immer etwas konservativer, aber oft auch qualitätsbewusster als der Rest der Republik, sieht bislang keine Notwendigkeit für eine Erweiterung. Es wäre ja auch fast schade um diesen wunderbaren Anachronismus, der dann vielleicht nur noch ein weiteres Format im an Formaten äußerst reichhaltigen BR wäre. Eine eigene Marke ist er heute schon.