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Archiv-Artikel

Polizei bildet lieber im eigenen Ghetto aus

In Hamburg soll es eine Polizei-Universität mit Schnupperstudium geben. In Münster wird die Führungsakademie der Polizei international umgerüstet. So bleibt der Polizeinachwuchs ohne Chance, auf öffentliche Hochschulen zu gehen

BERLIN taz ■ Die Hamburger Polizei plant, die Ausbildung ihrer Beamtinnen und Beamten grundlegend zu verändern. Seit Mai wird in einer Projektgruppe über verschiedene Modelle beraten. Favorisiert wird laut Polizei-Vizepräsident Michael Daleki eine Art Polizei-Universität.

Das ist ein großes Wort, das der Sprecher der Hamburger Innenbehörde, Reinhard Fallak, nicht so gern hört. Die zunächst angedachte Bezeichnung „Polizei-Akademie“ aber hätte doch zu sehr nach „Police Academy“ geklungen – und mit dieser Anspielung auf eine Blödelfilmreihe verulken lassen möchte sich die Hamburger Polizei nicht.

Erneut verschenkt würde mit einer Entscheidung für eine Polizei-Universität in Hamburg jedoch die Möglichkeit, die Ausbildung der Ordnungshüter aus dem Polizei-Ghetto zu befreien und an öffentlichen Hochschulen anzusiedeln.

Stattdessen soll sich der Polizeinachwuchs an der Alster dann für ein ein- bis zweisemestriges Grundstudium einschreiben. Hier werden ihm zunächst die theoretischen und rechtlichen Grundlagen polizeilichen Handelns beigebracht. Während dieser Zeit sollen die angehenden Polizisten wie „normale Studenten“ behandelt werden. Konkret heißt dies, dass sie – anders als derzeit – keine Ausbildungsvergütung erhalten. Sie werden wie andere Studenten auch für ihren Lebensunterhalt überwiegend auf Bafög angewiesen sein, bestätigt Fallak.

Dass die Bafög-Vergaberegeln für ein einjähriges Polizeistudium light überhaupt gelten, ist allerdings zumindest zweifelhaft. Fallak bestreitet jedoch, dass bloß Ausbildungskosten gespart werden sollen. Vielmehr gehe es darum, jungen Leuten im Schnupperstudium Gelegenheit zu geben, sich darüber klar zu werden, ob sie wirklich Polizisten werden wollen. Entscheidet man sich dafür, geht die Ausbildung wie bisher weiter – und dann gibt’s auch Geld vom Polizeipräsidenten. „Wir werden am Ende keine Theoretiker, sondern voll einsatzfähige Polizisten haben“, sagt Daleki.

Noch etwas haben sich die findigen Hanseaten einfallen lassen: Auch für private Sicherheitsdienste soll die Polizei-Universität geöffnet werden. Vermutlich würden hier dann aber Studiengebühren erhoben, heißt es. Bei näherer Betrachtung also reiner Etikettenschwindel – Police Academy.

Auch die Führungskräfte der deutschen Polizei werden ab dem Jahr 2007 eine Hochschulausbildung erhalten, die international mit anderen Masterabschlüssen vergleichbar sein soll. Dies hat die Innenministerkonferenz Anfang Juli entschieden. Hierzu wird die Polizei-Führungsakademie in Münster, zentrale Fortbildungseinrichtung der bundesrepublikanischen Polizei-Elite, zu einer Polizei-Hochschule umgebaut.

Alle Führungskader in den Teppichetagen der Polizei haben an der Ende der 1940er-Jahre eingerichteten zentralen Ausbildungsstätte ihre Aufstiegslehrgänge absolviert. Jährlich kommen rund 2.500 weitere dazu. Im zusammenwachsenden Europa kann eine Polizeiausbildung, die mit der anderer Staaten kompatibel ist, durchaus sinnvoll sein. Langfristig ließe sich dann auch Schluss machen mit dem Durcheinander von „Europäischer Polizeiakademie“, „Mitteleuropäischer Polizei-Akademie“ und Ähnlichem. Auf die Inhalte wird es also ankommen, aber darüber ist gegenwärtig noch nichts bekannt.

Doch auch der Anschluss der Münsteraner Führungsakademie an internationale Standards folgt der Regel, dass die Polizei ihre Leute selbst ausbilden will. Den Vorschlag, an öffentlichen Hochschulen entsprechende Studiengänge anzusiedeln, hat das Berliner Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit bereits 1996 unterbreitet. Dann nämlich könnten Polizei-Studis tatsächlich „normale Studenten“ werden, mit freier Entscheidung über Schwerpunkte, Dauer und Erfolg ihres Studiums.

Eine solche frühzeitige Entwicklung von Selbstverantwortung wäre als Vorbereitung auf den Polizeiberuf sicherlich zu begrüßen. Allerdings müsste hierzu die Ausbildungshoheit an die Kultusminister übergehen. Eine Vorstellung, die in jedem Innenministerium Schrecken verbreitet. Und damit ist die Frage „Akademie oder Academy?“ im Grunde geklärt. OTTO DIEDERICHS