: Die Kleinen spielen endlich unter sich
Lange dominierten Herthas Amateure die Oberliga. Nun träumen TeBe, Dynamo und Yesilyurt vom sportlichen Erfolg
Die als „Toten-Liga“ stigmatisierte Amateur-Oberliga erwacht zu neuem Leben. Agierten die Berliner Klubs in den vergangenen Jahren meist vor leblos leeren Rängen, so füllen sich die Stadien wieder. Beim Saisonstart der 4. Liga am Vorwochenende erlebten 1.200 Fans die 0:0-Premiere von Aufsteiger BFC Dynamo gegen Neuruppin, 700 Besucher zog die Partie Tennis Borussia gegen Lichtenberg (3:0) an. Yesilyurt durfte gegen Nobody Eisenhüttenstadt (1:0) noch stolze 200 Zuschauer begrüßen. „Es herrscht Erleichterung und Aufbruchstimmung, die Spannung ist zurückgekehrt“, konstatiert TeBe-Präsident Peter Anthony.
Dafür zeichnet kurioserweise eine Mannschaft verantwortlich, die im Juni von Bord gegangen ist: Die Hertha-Amateure, die mittels konkurrenzlosem Millionenetat und abkommandierten Bundesligaprofis die Lust am Wettbewerb in der vierten Liga zu strangulieren drohten, schafften nach drei vergeblichen Anläufen den Aufstieg in die Regionalliga.Die Hinterbliebenen kämpfen nun um die Pole-Position in der Post-Hertha-Ära.
Die meisten der sieben Vereine aus der Hauptstadt machen keinen Hehl daraus, dass sie sich in der Spitzengruppe einnisten wollen. „Platz 3“ gibt Anthony zwar offiziell als Ziel von TeBe aus. Die spektakulären Verpflichtungen der Profis Dejan Raickovic (Oberhausen) und Peter Peschel (Duisburg) lassen jedoch auf größere Ambitionen schließen.
Nach dem Absturz in die Regionalliga (2001) will Theo Gries den Anhängern die Lust am Träumen nicht vergällen. „Im Gegenteil, da bin ich glücklich, dass wir erreicht haben, dass nach zwei, drei Jahren, in denen die Stimmung oft eher depressiv war, sich wieder etwas Euphorie breit macht“, sagt der TeBe-Trainer, der in der Vorsaison mit einer blutjungen No-Name-Truppe bereits Rang 5 belegte.
Bei Neuling BFC Dynamo schienen alternative Zukunftsentwürfe den Klub nach dem ersten Aufstieg seit 1968 fast zu zerreißen. „Die einen wollen mit dem Fahrrad ans Ziel, die anderen mit dem Auto“, erklärt der neue Präsident Mario Weinkauf, der die unterschiedlich schnellen Flügel unter einen Hut bringen muss. Nur über die Richtung herrscht Einigkeit im Sportforum: Mit dem DDR-Rekordmeister (zehn Titel von 1979 bis 1988) soll es wieder nach oben gehen.
Begleitet wird der anvisierte Gipfelsturm des früheren Europacup-Starters mit einer bereits professionellen Offensive der Vereinsführung. Beim DFB beantragte Dynamo das Recht, drei Sterne über dem Klub-Wappen tragen zu dürfen – als Anerkennung für die errungenen DDR-Titel. Ein ähnliches textiles Privileg genießt sonst nur der westdeutsche Rekordchampion Bayern München, der sich seit Einführung der Bundesliga (1963) siebzehnmal in die DFB-Meisterliste eintragen konnte.
Eher im stillen Kämmerlein gehen die Macher des SV Yesilyurt das „Unternehmen Regionalliga“ an, obwohl die zahlreichen Einkäufe die Konkurrenz hellhörig machte. Erst auf Nachfrage sprüht Manager Gökmen Ilkyaz vor Ehrgeiz. „Unser Ziel ist es, hinter Hertha und Union die Nummer drei in Berlin zu werden“, antwortet der Sohn eines türkischen Getränkegroßhändlers, der den Verein seit Jahren mit Erfolg nach vorn bringt.
Auch wenn in anderen Klubs immer wieder darüber spekuliert wird, wann Yesilyurts Geldquelle nicht mehr so ergiebig sprudelt, möchte sich die „Grüne Heimat“ (deutsch für „Yesilyurt“) spätestens 2006 in der klassenhöheren 3. Liga ansiedeln. „Aber wenn es früher klappen sollte, würden wir uns nicht wehren“, betont Manager Ilkyaz.
Die Grün-Weißen aus dem Wedding wissen ihren Bezirk hinter sich. Joachim Zeller, der Bürgermeister von Mitte, gilt als Anhänger der spielstarken Mannschaft, die zum bezirklichen Aushängeschild geworden ist. Mit Staunen registrierte Fußball-Berlin, dass das über Jahrzehnte heruntergekommene Poststadion in Moabit renoviert wird. Die marode Arena soll zu einem Regionalliga-tauglichen Arena für über 12.000 Zuschauer umgebaut wird. Im Sommer 2005 plant Yesilyurt, dessen Jugendabteilung schon an die Lehrter Straße umgezogen ist, einen kompletten Neuanfang im Poststadion. JÜRGEN SCHULZ