: „Wie ein Stigma“
Er hat die Guns N’ Roses und das Heroin überlebt. Seine neue Band heißt Velvet Revolver und spielt heute in Berlin. Ein Gespräch mit Slash über seine Familie, seine jungen Fans und Sex vor der Bühne
VON HENNING KOBER
Saul Hudson wird 1965 im englischen Stoke-on-Trent geboren. Seine Mutter, eine Afroamerikanerin, die David Bowies Kostüme entwarf, zieht mit ihm nach Los Angeles, als er elf ist. Dort bekämpft der sensible Junge seine Dämonen mit Aggro-Sport und wird einer der besten BMX-Artisten der Gegend. Später helfen ihm Gitarre, Gitanes, Alkohol und Heroin. Er nennt sich Slash, wird Mitglied von Guns N’ Roses, der Band, die Ende der Achtziger zu Ikonen einer selbstzerstörerischen Jugendbewegung wird. 1996 zerbricht die Band am Streit zwischen Slash und Sänger Axl Rose, der lieber Technoalben machen möchte und seitdem an seinem Album „Chinese Democracy“ arbeitet. Zusammen mit Duff McKagan und Matt Sorum, dem Bassisten und dem Drummer der Guns N’ Roses, Scott Weiland, dem früheren Frontmann der Stone Temple Pilot, und Dave Kushner gründet Slash seine neue Band Velvet Revolver.
taz: Slash, sind Sie nervös, weil sie wieder in Berlin sind? Sie haben hier schon einmal als trockener Alkoholiker wieder zur Flasche gegriffen.
Slash: Nein, nein, es ist sehr schön, in Europa zu sein. Besonders wenn man aus Los Angeles kommt, wirkt hier alles viel menschlicher. Mit dem Trinken ist es immer das Gleiche. Egal wie lang ich damit aufgehört habe, sobald ich in Deutschland bin, geht es wieder los. Aber das ist meine eigene Schuld.
Dabei bevorzugen Sie in den letzten Jahren den Jack Daniel’s aus einem Glas, nicht mehr aus der Flasche.
Jeder Tropfen Whiskey in Deutschland macht mehr Spaß als in L. A., egal woraus man ihn trinkt. Ich bin ein Fan von eurer kulturellen Gepflogenheit, sehr selbstverständlich überall auf der Straße zu trinken. Die Menschen bei euch sind viel kultivierter. Und ich hatte in Berlin mal diese sehr hübsche Freundin, wie hieß sie doch gleich …
Sind Sie nicht mit Ihrer Familie unterwegs?
Die werden erst in ein paar Tagen rüberkommen. Aber ich versuche, monogam zu bleiben. Das ist nicht einfach, wenn du in einer Rock-’n’-Roll-Band bist. Wir waren gerade in Skandinavien, diese Sechzehnjährigen, Wahnsinn.
Wie ist denn so das Publikum von Velvet Revolver?
Erstaunlicherweise sind das vor allem Kids, die die Guns N’ Roses gar nicht miterlebt haben können. Deren Empfang war fucking cool. Das war ein Gefühl, wow, ich bin in der einzig echten Rock-’n’-Roll-Band der Welt.
Könnte ein Grund dafür auch das Best-of-Album der Guns N’ Roses sein, das sich hervorragend verkauft?
Mit dem Album habe ich nichts zu tun. Das war ein Ding der Plattenfirma. Es erschien ausgerechnet, als wir auf Promotiontour für Velvet Revolver waren. Der Name Guns N’ Roses klebt wie ein Stigma an mir.
Auf dem Höhepunkt des Guns-N’-Roses-Exzesses, während der „Use Your Illusion“-Tour, wurden Sie gefilmt. Werden diese Aufnahmen jemals erscheinen?
Das sind tausende Stunden ungeschnittenes Material, auf denen man sieht, wie eine Rock-’n’-Roll-Band in den Abgrund rast. Interessant wäre das bestimmt. Aber ich habe seit Jahren nicht mehr mit Axl gesprochen, daher sind wir vielleicht nicht das beste Team, um einen Film zu veröffentlichen.
Einmal hatten Sie vor einem Konzert so viel Heroin genommen, das Ihnen Adrenalin ins Herz gespritzt werden musste.
Das ist mir sogar ein paarmal passiert. Ein merkwürdiges Gefühl. Gerade ist alles noch sehr schön, dann verschwindest du in einem schwarzen Loch. Das nächste Bild sind hundert Medizinmänner, die über dir stehen und dich anstarren. Crazy. Man muss dann ins Krankenhaus. Klug ist es, sofort zu unterschreiben, dass du auf eigenen Gefahr nach Hause geht, sonst kommen die komischen Gedanken. Aber das ist schon eine Weile her, ich nehme das Zeug nicht mehr.
Wie geht es ihrem Sänger Scott Weiland? Ein kalifornisches Gericht wollte ihn wegen Drogengeschichten nicht nach Europa reisen lassen.
Es geht ihm gut, er musste sich verdammt anstrengen, clean zu werden. Aber jetzt hat er es geschafft. Darüber sind wir alle sehr froh.
Wenn Sie heute Abend ins Publikum schauen, was würden Sie gerne sehen?
Dass die Leute einen großartigen Moment haben. Und wenn sie Sex hätten, das wäre wundervoll.
20 Uhr, Columbiahalle, Tempelhof