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Archiv-Artikel

Jingeln bis zum Tod

betr.: „Sprechen für den Rundfunk“, taz bremen vom 27.8.2003

Nun gibt es dann und wann im NordWestRadio was Gutes zu hören, sogar manchmal wochentags minutenweise, ganz besonders aber abends und am Sonntag. Doch das seriöseste Feature, der sensibelst gespannte Gesprächsbogen, das kompetentest kommentierte Konzert, der kauzigste Heimatfunk und all die anderen zäh verbliebenen oder reuig wiederbelebten Highlights aus RB2-Zeiten werden in ihrem Wirkungspotenzial zunichte gemacht durch die so stilbrüchige wie deplatzierte Einbettung zwischen die scheinbar zum heiligen unschlachtbaren Maskottchen erklärten, bonschenhaft verhallten Dagmar-Berghoff-Mumienjingles vorher, nachher und mittendrin, die nichts als die Nullbotschaft enthalten, welchen Sender auf welcher Frequenz man gerade hört. Das weiß ich doch selber, wie die Zahlen heißen auf meinem Radio, und wer nicht eingeschaltet ist, hört auch das nicht, der Glückliche! Die Stellung Dagmar Berghoffs in der abendländischen Kulturgeschichte kann nicht geschmälert werden, aber die Dame und ihre attentatshafte unmusikalische Untermalung durch einen geradezu gekreuzigten 60iger-Jahre Instrumental-Hit steht für etwas, das zu sein das NWR sich nicht mehr leisten kann, will es sich nicht bei Nullkommasowieso stabilisieren. (...) Man kann doch irgendeinen sonoren Bauern ein paar Mal NORDWESTRADIO sagen lassen, und die Sache hat sich, im Hintergrund 3x Emma, die Möwe, oder Klarabella, die Kuh, oder sonst ein NordWestGeräusch à la Nordseewellen oder Nebelhorn. Der NDR hat sich gerade von seinem Logo mit Antje, der Walrossdame verabschiedet, weil die gestorben war. Sollen die paar verbliebenen NordWestRadio-Hörer etwa Frau Berghoffs gesamte Lebenserwartung aussitzen, bis sich akustische Erlösung einstellt? JOCHEN EHLERS, Bremen