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Archiv-Artikel

Ein kleiner Silberstreif

In der mecklenburgischen Kreisstadt Ludwigslust hat sich auch durch Zuzug aus Hamburg eine rechte Szene entwickelt. Die Stadt geht dagegen vor – nicht immer mit Erfolg

Sonnenwendfeiern habenAnwohner bereitsbeobachtet

Ludwigslust taz ■ Die Aufdrucke auf den Jacken der Jugendlichen lassen keinen Zweifel über ihre Gesinnung aufkommen: „Frei – sozial – national“. In der Nähe des Schlosses können Interessierte sich im „Tattoo Walhalla“ entsprechende Symbole tätowieren lassen. Am nahen Kiosk finden sie die neofaschistische Deutsche Nationalzeitung und das revanchistische Heft Landser. In der Region um die mecklenburgische Kreisstadt Ludwigslust mit ihren etwa 12.400 Einwohnern hat sich in den letzten Jahren eine rechte Szene entwickelt.

„Wir haben diese Entwicklung genau verfolgt“, erzählt Bürgermeister Hans Jürgen Zimmermann. „Im vergangenen Jahr waren gerade die Freien Nationalisten sehr aktiv“, sagt der Grünen-Politiker und hebt hervor, dass „leider auch ausländische Mitmenschen und anders denkende Jugendliche attackiert“ wurden. Die nahe gelegene KZ-Gedenkstätte Wöbbelin schänden Rechte öfters, ebenso den jüdischen Friedhof in Boizenburg. „Aber in Ludwigslust selbst“, betont Zimmermann „sind die Rechten heute nicht mehr so präsent“ – eine Einschätzung, die auch der Verfassungsschutz bestätigt.

Kein Grund zur Entwarnung allerdings. Denn in der Region verübten junge Rechte in diesem Jahr eine Serie von Gewalttaten. Seit Juli ermittelt die Schweriner Staatsanwaltschaft gegen „etwa 60 Rechtsextreme“. In den letzten Wochen traten mehrere Rechte unter anderem im nahen Grabow einen jungen Mann zusammen, und in Krembz schlugen sie auf einen Vater und dessen minderjährigen Sohn ein.

Vor allem der Zuzug bundesdeutscher Nazikader in die mecklenburgische Provinz dürfte die militante Naziszene gestärkt haben. So ließ sich der Hamburger Nazirentner Klaus Bärthel in Ludwigslust nieder, und der Hamburger Naziführer Thomas Wulff erwarb zusammen mit dem niedersächsischen Nazi Michael Grewe in Amholz bei Boizenburg ein Herrenhaus.

Während sich Bärthel um seinen „Wolf-Verlag“ bemüht und bis 2002 das Nazimagazin Zentralorgan vertrieb, bauen Wulff und Grewe ihr Gutshaus aus. Sonnenwendfeiern haben Anwohner bereits beobachtet. Als „Schulungszentrum“ werde das Anwesen aber nicht genutzt, meint der Verfassungsschutz.

„Die Rechtsradikalen haben ihre Strategie geändert“, betont Inga Hinrichs, Leiterin des Jugendzentrum ZEBEF in Ludwigslust. Nachdem das ZEBEF 2002 eine Ausstellung zum Thema Neofaschismus zeigte, versuchten die Nazis zunächst, die Mitarbeiter mit Aufmärschen einzuschüchtern. Ohne Erfolg. Nun verzichten Bärthel und Co. auf die direkte Konfrontation: Stattdessen bemühen sie sich, junge Russlanddeutsche für sich zu gewinnen.

Die leicht entspannte Situation in Ludwigslust dürfte aber nicht alleine der Strategie der Rechten geschuldet sein. Denn die Stadt geht auch von sich aus gegen die Nazis vor. Seit über drei Jahren führen Stadt, Parteien und Initiativen Aktionen gegen rechts durch. „Wir mussten uns der Entwicklung entgegenstellen“, betont Zimmermann. Als Bürgermeister zeigte er 2001 Bärthel wegen der Herausgabe der Nummer 11 des Nazimagazins Zentralorgan an. „In dem Titel ‚National Befreite Zonen – schafft sie euch' sehen wir eine Bedrohung gegen unsere Bürger“, begründet er. Das Amtsgericht Ludwigslust teilt diese Einschätzung nicht. Am vergangenen Mittwoch sprach die Richterin die Macher des Nazimagazins, unter ihnen Bärthel, von dem Vorwurf der Volksverhetzung und des Aufrufs zu Gewalt frei. ANDREAS SPEIT