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Archiv-Artikel

„Sind Zeitungen so wichtig, wie sie’s von sich selbst glauben?“

Der Medienpolitiker Günter Nooke (CDU) ist, wie Angela Merkel, gegen eine Ministererlaubnis für Holtzbrinck und fragt: „Ist die Zeit nicht reif für eine rechte taz?“

Von STG

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) prüft derzeit, ob der Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern, der in Berlin bereits den „Tagesspiegel“ verlegt, per Sondererlaubnis auch noch die Berliner Zeitung kaufen darf.

taz: Herr Nooke, CDU-Chefin Angela Merkel hat sich gegen eine Sondererlaubnis für Holtzbrinck ausgesprochen und dabei auf politische Gründe verwiesen, ohne konkret zu werden. Werden Sie doch bitte mal etwas genauer.

Günter Nooke: Unsere Position ist ganz klar: Keine Ministererlaubnis. Erstmal ist doch die Frage, ob Pressevielfalt in Berlin überhaupt den Bundeswirtschaftsminister angehen sollte. Berlin ist doch wohl klar ein regionaler Markt, so dass es schon schwierig wird, hier mit Gemeinwohlinteresse für ganz Deutschland zu argumentieren.

Aber Berliner Zeitung und Tagesspiegel verstehen sich doch als überregionale Blätter

Na gut, aber da muss man eben sehen, wie die Realität ist: Schön, wenn’s so wäre. Ist aber leider nicht so.

Das klingt bis jetzt reichlich formal und wenig politisch.

Nun: Ich frage mich, ob sich Clement bei dem Erlaubnisverfahren nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt hat. Er hat seine politischen Interessen so stark durchscheinen lassen, dass eigentlich ein Aufschrei durch die Republik gehen müsste. Das ist immerhin ein Staatsamt, das er neutral zu verwalten hat. Wenn er seine Präferenz für die Holtzbrinck-Seite derart klar macht, kann er das nur als Parteipolitiker.

Holtzbrinck und die SPD sitzen für Sie also in einem Boot?

Der Konzernchef Stefan von Holtzbrinck beim Abendessen (am 28. 8. – die Red.), wo man Veränderungen im Wettbewerbsrecht diskutiert. Aber es kann doch nicht sein, dass Gerhard Schröder hier aus parteitaktischen Gründen eine Debatte aufmacht, deren Ergebnisse Herr Clement letztlich schon im Vorfeld einlösen soll. Hier tritt Rot-Grün den Rechtsstaat mit Füßen: Sich so eindeutig gegen Kartellamt und Monopolkommission zu stellen, erleben wir ja nicht eben oft.

Die Grünen haben sich mehrfach klar gegen eine Ministererlaubnis ausgesprochen.

Das macht ja eben auch das Spannende der Debatte aus: Wir sind hier in nicht üblicher Gemeinschaft. Und daraus ergibt sich doch die Frage, wie überhaupt Medienpolitik für das Verlagsgeschäft aussehen soll.

Und die Medienpolitik der CDU hat gar nichts mit der Springer-Position in diesem Konflikt zu tun, die die zweite große Macht im Berliner Zeitungsmarkt sind?

Wir haben uns da nichts vorzuwerfen. Die Rechtslage ist doch eindeutig. Wenn es jetzt in einem ähnlichen Zusammenhang Springer statt Holtzbrinck treffen würde, wäre das aus unserer Sicht genauso gerechtfertigt.

Die SPD scheint nun die Verleger erhören zu wollen, die eine Änderung der Konzentrationsvorschriften wollen. Für weniger Beschränkungen ist ja auch Springer.

Wenn man wirtschaftliche Interessen hat, ist das ja in Ordnung. Aber das soll man auch klar sagen: Es geht für Holtzbrinck und Springer darum, Geld zu verdienen. Und eine marktbeherrschende Stellung in Berlin hilft da. Doch beim aktuellen Streit hat Holtzbrinck wegen des zusammengebrochenen Anzeigengeschäfts auch ein großes Interesse daran, mit Tagesspiegel und Berliner Zeitung erstmals den Ost- und Westteil der Stadt allein abdecken zu können.

Sind Sie denn für eine Debatte über die Kartellvorschriften?

Klar kann man darüber reden. Aber zum jetzigen Zeitpunkt ist eine Änderung des Kartellrechts nicht nötig. Das Beispiel Springer-Holtzbrinck wäre dafür nun wirklich der schlechteste Anlass. Denn dabei darf es nicht nur um die großen Verlage gehen. Die Frage muss ganz klar sein: Haben die kleinen und mittelständischen Zeitungen noch eine Chance? Aber zur Krise: Da ist doch viel hausgemacht. Und da können jetzt doch keine hoch bezahlte Verlagschefs von der Politik erwarten, dass wir ihnen wieder die Bedingungen vom Garten Eden organisieren.

So scheinen die Verleger aber das Abendessen beim Kanzler zu interpretieren …

Das war ein plumper Versuch, die Verleger einzubinden. Wenn Kanzler Kohl sich jemals sowas geleistet hätten, hätte das nicht nur Ihre Zeitung angegriffen. Das hätte im Blätterwald ein Rauschen gegeben, da hätten wir uns nicht wiedergefunden. Doch jetzt ist es richtig schön ruhig. Warum eigentlich?

Viele Blätter – auch die taz – haben klar gegen Sonderregelungen für Holtzbrinck Position bezogen.

Ich find’s ja gut, dass Sie eine rechtsstaatliche Position vertreten. Aber man muss auch mal die Frage stellen, ist die Zeit nicht reif für eine rechte taz? Braucht man auch auf der anderen Seite nicht mal wieder ein bisschen intellektuellen Qualitätsjournalismus?

Das hört man bei Springer jetzt aber gar nicht gerne.

Ich wollte Ihnen ja nicht nur Dinge sagen, die die bei Springer gerne lesen. Aber wir erleben doch fast überall so ein linkes, liberales Einerlei – das reizt keinen so richtig. Das füllt zwar die Seiten, ist aber langweilig. Das bringt uns in Deutschland nicht voran. Als Medienpolitiker darf ich das ja vielleicht mal so provokant formulieren: Sind alle Zeitungen wirklich so wichtig, wie sie’s von sich selbst annehmen? Mir wär’s wichtiger, wenn man mal ein paar pronouncierte Gegenpole hätte. Machen wir uns nichts vor: Die taz war ja mal die Journalistenschule für alle Linken, die heute überall in den Redaktionen sitzen. Und von denen Rot-Grün ja auch profitiert.

Springer-Chef Mathias Döpfner würde jetzt darauf verweisen, dass eine stellvertretende Welt -Chefredakteurin auch von der taz kommt …

Ich weiß nicht, ob sich die angeblich konservativen Blätter damit rühmen sollten, dass sie jetzt auch taz-Leute haben. Es wäre doch viel spannender, wenn man endlich wieder andere Debatten anzetteln könnte. Und es auf dem Medienmarkt eine Bewegung gäbe, die nicht vom Kartellrecht, sondern vom politischen Willen der Konservativen ausginge. Vielleicht ist es auch deshalb so langweilig in der deutschen Presselandschaft. INTERVIEW: STG