: Libanesen boykottieren Handy
Die Gebühren für Mobiltelefone sind die höchsten in der Region. Dagegen richten sich jetzt Protestaktionen
BEIRUT taz ■ Bereits zum zweiten Mal innerhalb eines Monats hat im Libanon am Montag ein Aktionstag zum Protest gegen die hohen Handy-Gebühren stattgefunden. Die regierungsunabhängige Verbraucherorganisation „Consumers Lebanon“ hatte zu einem 24-stündigen Handyboykott aufgerufen, und das in einem Land leidenschaftlicher Handybenutzer. Es gibt im Libanon kaum einen Ort, wo man das Piepsen und Klingeln nicht hören würde, egal ob man im Kino oder auf einer Beerdigung ist, manchmal sogar in einer Kirche oder Moschee.
Für manche, die an dem Boykott teilnahmen, gab es unerwartete Glückgesfühle: „Ich fühle mich unglaublich frei“, meinte ein junger Libanese, der gemütlich seinen Kaffee trank, ohne von irgendeinem Anrufer gestört zu werden. Er hatte sein Telefon ausgeschaltet, wohl wissend, dass seine Verlobte das gar nicht gut finden würde. Denn die ruft ihn am Tag mehrmals an.
Selbst in der Redaktion einer Frauenzeitschrift schalteten alle ihre Handys aus. „Eigentlich müsste ich heute viele Anrufe tätigen, aber das muss eben bis morgen warten“, berichtete die Geschäftsführerin.
Bei dem ersten Boykott hatten angeblich dreißig Prozent aller Handybesitzer ihr Gerät ausgestellt. Offizielle Statistiken über die Aktion vom Montag gibt es noch nicht, doch wenn man den libanesischen Medien Glauben schenkt, so waren es diesmal mindestens genauso viele.
Sicher sind es vor allem die finanziell besser gestellten Libansen, die ein Handy besitzen und es exzessiv nutzen. Denn die Gebühren sind horrend hoch – 500 Minuten kosten 100 Euro, das ist für einen Durchschnittsverdiener schon über ein Viertel des Monatseinkommens. Die Gespräche sind doppelt so teuer wie im Nachbarland Syrien, und in den Vereinigten Arabischen Emiraten kostet die gleiche Zeit gerade mal 32 Euro.
800.000 Mobiltelefonbenutzer gibt es in dem Dreieinhalb-Millionen-Einwohner-Land und es werden immer mehr, trotz der hohen Gebühren. Die Touristen haben die Nachfrage diesen Sommer nochmals in die Höhe schnellen lassen. Deswegen sind Preise für Neuanschlüsse gestiegen – von ehemals 70 auf 170 Euro. Trotz der steigenden Nachfrage haben allerdings auch rund 150.000 Libanesen ihr Handy verkauft. Sie konnten es sich einfach nicht mehr leisten.
Immerhin gab es seitens der libanesischen Regierung eine Reaktion auf den Boykottaufruf. In einem Brief an „Consumers Lebanon“ machte der libanesische Finanzminister deutlich, dass das Telefonieren unter keinen Umständen billiger werden würde. Der Staat kassiert kräftig ab: „50 Prozent der Gebühren sind Steuern“, erklärt Zuhair Berro, Präsident von „Consumers Lebanon“, „das macht 48 Millionen Euro pro Monat.“ Ein lukratives Geschäft für die Regierung, deren Mitglieder von den Libanesen oft als selbstsüchtige Mafiosi karikiert werden.
Wenn alle Handybenutzer dem Boykott gefolgt wären, hätte die Regierung an nur einem Tag 667.000 Dollar verloren. Aber die wohlhabenden Vieltelefonierer unter den Handy-Benutzern haben es eben finanziell nicht nötig, sich an einem Boykott zu beteiligen. CHRISTINA FÖRCH