: SEK-Einsatz im Parlament
Nach dem Tod eines 35-Jährigen ist die Ausrüstung des Spezialeinsatzkommandos der Polizei wieder in der Diskussion. Diesmal geht es um einen Eisenschild. Justiz ermittelt bereits gegen Polizeibeamte
VON PLUTONIA PLARRE
Präzisionsschützengewehr, Maschinenpistole, „Tonfa“ – keine Polizeieinheit ist so gut ausgerüstet wie die rund 100 Beamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK). Wenig bis gar nicht bekannt in der Öffentlichkeit ist dagegen der Eisenschild, nicht zu verwechseln mit dem Plexiglasschild, über den die geschlossenen Einheiten verfügen. Den 14 Kilo schweren Schild aus Stahl trägt der Einsatzführer voran, wenn das SEK eine Wohnung stürmt. Er dient zum Aufbrechen von Türen und soll die Elitepolizisten vor Angriffen mit Feuer-, Schlag- und Stoßwaffen schützen.
Heute wird sich der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses mit dem Eisenschild befassen. Die FDP-Fraktion verlangt Aufklärung über einen SEK-Einsatz vom 6. August in Neukölln, bei dem ein 35-Jähriger zu Tode gekommen ist. Zeitungsberichten zufolge war der Mann bei dem Einsatz in seiner Wohnung mit dem Eisenschild „zu Boden gebracht“ worden. Wenig später starb er vor Ort.
„War es ein Unfall oder wurde der Schild als Waffe eingesetzt?“, möchte der innenpolitische Sprecher der FDP, Alexander Ritzmann, heute von der Polizeiführung wissen. Die Staatsanwaltschaft hat wegen des Todesfalls ein Ermittlungsverfahren gegen die beteiligten Beamten eingeleitet. Einige Tage nach dem Vorfall hatte die Polizeipressestelle eine Mitteilung verschickt. Unter der Überschrift „Todesfall nach SEK-Einsatz“ wird der Hergang des Einsatzes minutiös beschrieben, von einem Eisenschild findet sich allerdings kein Wort.
Nachbarn, so heißt es, hätten aus der Wohnung des wegen Roheitsdelikten Vorbestraften Schüsse gehört. Die Schüsse entpuppten sich später als Feuerwerkskörper. In den frühen Morgenstunden, „um 4.17 Uhr“, sei das SEK in die Wohnung „eingedrungen“, habe den Mann „überwältigt“ und ihm Handschellen angelegt. Kurz darauf habe er über Unwohlsein geklagt. Daraufhin seien ihm die Handschellen wieder abgenommen und um 4.22 Uhr Rettungswagen und Feuerwehr alarmiert worden. Zwischenzeitlich sei der Mann von drei SEK Beamten versorgt worden, von denen zwei auch Rettungssanitäter seien.
Da sich der Zustand von Andreas P. verschlechterte, sei zusätzlich ein Notarztwagen angefordert worden, der Arzt habe die weiterte Behandlung übernommen. „Trotz aller Bemühungen starb der Mann noch in der Wohnung“, so die Polizeipressestelle.
Die genaue Todesursache hat die Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt gegeben. Die Polizei spricht vage von Vorschädigungen an den inneren Organen des drogenabhängigen Andreas P., „die den Todeseintritt begünstigt haben dürften“. Die Berliner Morgenpost meint es besser zu wissen und schreibt, P. habe Hepatitis A, B und C gehabt und sei HIV-positiv gewesen. Er sei an einem Milzriss gestorben, das Organ sei um ein Vielfaches angeschwollen gewesen.
Es könnte durchaus sein, dass das Ermittlungsverfahren gegen die Beamten alsbald eingestellt wird. Auf einem anderen Blatt steht, welche Lehren das SEK aus Vorfällen wie diesem zieht.
Es ist noch gar nicht lange her, da hat sich die Öffentlichkeit schon einmal für den Eisenschild interessiert: im April 2003, als der SEK-Beamte Roland Krüger bei der Festnahme eines Straftäters aus dem Türstehermilieu erschossen wurde. Der große, breitschultrige Krüger, von seinen Kollegen Bulette genannt, war bei der Stürmung der Wohnung der Anführer mit dem Eisenschild gewesen. Die tödliche Kugel traf ihn durch einen kleinen Spalt zwischen Schild und Schutzhelm. Der Täter ist inzwischen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes verurteilt worden.
Aus dem Vorfall, der sowohl von der Justiz als auch von der Polizei untersucht wurde, habe das SEK laut Kommandoführer Bernd Kossin nur ein Fazit ziehen können: Schuld sei eine Verkettung von allen erdenklichen unglücklichen Umständen. „Wir haben uns richtig verhalten.“
Trotzdem habe der folgenschwere Einsatz alle wachgerüttelt. Das schlimmste, was einem beim SEK passieren könne, so Kossin, sei Routine zur Routine werden zu lassen. „Das können wir uns nicht leisten.“