Jüdischen Spuren folgen

Die Kulturbehörde hat einen Stadtplan ediert, der 30 historische und aktuelle Orte jüdischen Lebens in Hamburg ausweist. Für einen handlichen Touristen-Rundgang eignet er sich trotz gegenteiliger Beteuerungen allerdings nicht

Dass das Rolf-Liebermann-Studio des NDR einst jüdischer Tempel war, ist bekannt. Dass der Begriff „Tempel“ auf eine liberale Gemeinde verwies, die nicht an den realen Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem glaubte, wissen aber nur wenige.

Dieses Detail erläutert zwar auch der am Donnerstag von der Kulturbehörde präsentierte Hamburg-Stadtplan mit Orten jüdischen Lebens nicht. Aber er verweist auf die Historie des NDR-Studios sowie auf 29 weitere Stätten aktuellen und vergangenen jüdischen Lebens.

Von der durch die Nazis zerstörten ehemaligen Bornplatzsynagoge am Joseph-Carlebach-Platz über die frühere jüdische Loge in den Kammerspielen bis zur ehemaligen Israelitischen Töchterschule reicht das Spektrum der historischen Bauwerke; auch das Mahnmal an der ehemalige Harburger Synagoge ist aufgeführt.

Doch der Plan enthält auch Gedenk- und Forschungsstätten sowie Orte aktuellen jüdischen Lebens. So sind auch ein kommerzielles jüdisches Café sowie die Forschungsstelle für Zeitgeschichte und das Institut für die Geschichte der deutschen Juden hineingeraten; letztere wird man auf einem Rundgang kaum spontan aufsuchen.

Auch die Gedenkstätte Neuengamme und das Plattenhaus Poppenbüttel – beide dezentral und kaum rundganggeeignet – sowie mehrere jüdische Friedhöfe wurden integriert. Daneben der Hannoversche Bahnhof, von dem aus die Nazis Juden, Sinti und Roma deportierten.

Stringent ist das Konzept des Plans nicht; es geriert sich vielmehr als Mix aus Pflichterfüllung, Caféhauskultur und Historie. Diffus bleiben auch die Adressaten: In Deutsch, Englisch und Hebräisch ist der Plan verfasst und soll im Museum für Hamburgische Geschichte sowie an den Tourismus-Informationen im Bahnhof und am Hafen kostenlos ausgegeben werden.

Doch für kurzatmige Tagestouristen eignet sich dieses Faltblatt gerade nicht. Für einen überschaubaren Rundgang auch nicht. Dann schon eher als Appetizer jenes Plans, der ihm zugrunde liegt: der 1995 vom Institut für die Geschichte der deutschen Juden edierten wissenschaftlichen Karte, die 95 historische jüdische Stätten ausweist. Hieraus hat eine – von der Kulturbehörde beauftragte – Historikerin des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden Auszüge verarbeitet und aktuelle Orte hinzugefügt. Deren Auswahl habe die Kulturbehörde getätigt, sagt Stefanie Schüler-Springorum, Direktorin eben dieses Instituts. Sie halte es durchaus für sinnvoll, diese Daten touristisch aufzubereiten. Warum ihr Institut im Impressum des kulturbehördlichen Plans ausgespart wurde, weiß sie nicht. Behördensprecherin Susanne Frischling: „Weil der Plan in unserer Behörde erarbeitet wurde und auch die Gegenwart einbezieht.“ PETRA SCHELLEN

Der Plan ist abrufbar unter www.hamburg.de/bksm