: Bewährung für käuflichen Richter
Das Landgericht Oldenburg verurteilte einen ehemaligen Richter zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr, weil er von einem Unternehmer Geld dafür verlangte, für die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens zu sorgen
„Ob es ein mildes Urteil ist, mag jeder selbst entscheiden“, sagte Richter Michael Nowak. Das Oldenburger Landgericht verurteilte heute einen Ex-Kollegen, den einstigen Richter am Oberlandesgericht Hans-Uwe P., zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr wegen versuchter Erpressung in Tateinheit mit einem Datenschutzvergehen. Verhältnismäßig gering war der materielle Schaden, den er verursacht hat: Gerade mal 5.000 Euro hatten P. und sein Komplize, der Finanzberater K., von einem Emder Unternehmer dafür verlangt, dass P. für die Einstellung eines gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahrens sorgen würde. Doch der Unternehmer durchschaute bald den Coup. Nur zum Schein zeigte er weiterhin Interesse, verhandelte über Monate mit K., während die Polizei den Telefon- und E-Mail-Verkehr überwachte und Beweismaterial für eine Anklage sammelte.
Im Lichte des verursachten finanziellen Schadens wäre auch eine Geldstrafe denkbar gewesen, sagte Richter Nowak in seiner Urteilsbegründung. Jedoch sei der Schaden, den das Vertrauen in das Rechtssystem genommen habe immens. „Nach außen hin schien die Justiz käuflich zu sein.“ Schon dass ein Richter Teile von Ermittlungsakten an Unbefugte weitergibt in der Absicht, daraus finanzielle Vorteile zu ziehen – „Das ist für die Bundesrepublik Deutschland nicht akzeptabel“, so die Urteilsbegründung. P. habe seine Stellung als Richter missbraucht, auch wenn es sich hier gar nicht um seinen eigenen Fall handelte, sondern um den seiner Ehefrau. Die Staatsanwältin hatte ihren Mann bei der Bearbeitung der Akten um Hilfe gebeten.
Das außerdem anhängige Betrugsverfahren wegen eines Darlehens, das der überschuldete P. beim ehemaligen Fußball-Nationalspieler Jörg Heinrich aufgenommen hatte, obwohl er mutmaßlich nicht in der Lage sein würde, es zurückzuzahlen, wurde zu Beginn des Verhandlungstages mangels Beweisen eingestellt.
Er habe eine „Riesendummheit“ begangen, sagte P. den Journalisten nach der Urteilsverkündung. „Es war aber keine versuchte Erpressung“, so seine Sicht der Dinge. Gegenüber dem Gericht war er noch deutlicher geworden: „Wer so etwas getan hat, kann nicht Richter bleiben. Aber es ist nicht strafbar“, sagte er in seinem Schlusswort. P. hat seinen Dienst bereits quittiert und kam damit dem Ausgang eines Disziplinarverfahrens zuvor.
Die Staatsanwaltschaft hatte eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten gefordert, Verteidiger Bertram Börner auf Freispruch plädiert. Nach seiner Argumentation könne von einer versuchten Erpressung keine Rede sein, da keine Drohung gegenüber dem Unternehmer ausgesprochen worden sei. Drohen könne ein Täter aber nur mit einer negativen Konsequenz, die er dem Opfer zufügen werde. Das Schlimmste, was den Unternehmer in diesem Fall erwartet habe, sei jedoch das Nicht-Eingreifen P.s in die Ermittlungen seiner Ehefrau gewesen. Was Verhandlungsführer K. im Einvernehmen mit P. ausgesprochen habe, sei lediglich eine Warnung im Rahmen eines „Beratungsgespräches“ gewesen.
Das sah das Gericht anders. Richter Nowak schilderte die Situation, in der sich der Unternehmer befand: Gegen ihn liefen Ermittlungen wegen angeblich gefälschter Schweißzertifikate, doch hatte er keine Akteneinsicht und konnte sich kein genaues Bild von den Vorwürfen machen. Die Presse hatte bereits berichtet, das Firmenimage litt. Kunden waren abgesprungen und Mitarbeiter mussten entlassen werden. Wäre er nicht auf den Deal eingegangen, hätte er mit einer weiteren Verschlechterung seiner Situation rechnen müssen. K. und P. hatten ihm suggeriert, eine Anklage sei bereits sicher, auch mit einer Razzia der Steuerfahndung müsse er rechnen. Nachdem der Unternehmer ein von P. übermitteltes Schriftstück aus seiner Akte gelesen hatte, war er sicher, dass an den Vorwürfen nichts dran war. Doch K. redete auf ihn ein: Was nütze ihm ein Freispruch, wenn er bis zum Ende des Prozesses wirtschaftlich ruiniert sei? P. behält sich eine Revision vor. Die Chancen seien ganz ordentlich, dass derartige Urteile in der nächsten Instanz aufgehoben würden, ist der Jurist überzeugt. ANNEDORE BEELTE