: Wider den Verordnungsberg
Der rot-rote Senat lobt sich, schon viel von der Staatsaufgabenkritik der Scholz-Kommission umgesetzt zu haben.„Viel Qualm und wenig Feuer“, sagt dazu der CDU-Experte Matthias Wambach und fordert mehr Privatisierung
Was verbindet die Öffnungsklausel bei der Beamtenbesoldung mit den Kiezstreifen der Ordnungsämter? Beide basieren auf Empfehlungen zur Verwaltungsreform, die schon vor Jahren die so genannte Scholz-Kommission abgab. „Ein großer Teil davon ist bereits realisiert oder auf den Weg gebracht“, jubelte gestern Senatskanzleichef André Schmitz (SPD) und klopfte sich und dem gesamten Senat auf die Schulter. Die Informationstechnik des Landes etwa sei reformiert, die Investitionsbank selbstständig geworden, das neue Schulgesetz sehe mehr Rechte für die Schulen vor. Hunderte Millionen sollen die Scholz-Ideen schon eingespart haben.
Für Matthias Wambach, den Verwaltungsexperten der CDU-Fraktion, war das eindeutig zu viel des Jubels. „Viel Qualm und wenig Feuer“, sagte er zu Schmitz’ Resümee. Es sei zwar durchaus richtig, dass der rot-rote Senat einige Teile der Scholz-Empfehlungen in Angriff genommen habe. Wichtige Kernpunkte aber seien unverändert. „Dass sich der Staat wirklich auf Kernaufgaben zurückzieht, ist nicht erkennbar, zumindest nicht so, wie von Scholz gefordert“, sagte Wambach.
„Der Staat muss nicht alles selber machen“, sagte Rupert Scholz, Verfassungsrechtler und früherer CDU-Bundesverteidigungsminister, als er im November 2001 die Vorschläge seiner Kommission vorlegte. Rot-Rot übernahm laut Schmitz 80 Prozent davon. Von einer grundsätzlichen Staatsaufgabenkritik könne noch nicht die Rede sein, sagte Wambach: „Im Moment wird bloß Personal eingespart, die Aufgaben der Verwaltung aber bleiben zu 95 Prozent bestehen.“ Auch bei der Privatisierung von Landeseigentum müsste Berlin schon weiter sein.
Senatskanzleichef Schmitz verwies auf zwei Gesetze zur Entbürokratisierung, die 30 bis 40 Verordnungen abschaffen. Wirte sollen etwa leichter ihre Tische vor die Tür stellen dürfen. Zu wenig für Wambach: Richtige Wirkung könne man nur erzielen, wenn es einen harten Schnitt gebe. Die CDU-Fraktion hatte dazu jüngst gefordert, auf einen Schlag tausende Verordnungen außer Kraft zu setzen.
Schmitz räumte aus eigener Erfahrung ein, dass manche Verordnung sich einem normal denkenden Menschen nicht erschlossen habe: Der kleine Imbiss bei ihm in der Straße habe, weil eine Toilette fehlte, keinen Wein verkaufen dürfen, wohl aber Säfte und Kaffee. Dass Wein einen stärker aufs Klo drängt, vermochte Schmitz nicht nachzuvollziehen. Doch selbst derart Naheliegendes zu ändern brauche Zeit: „Das war ein monatelanger Prozess.“
STEFAN ALBERTI