kohl-akten der stasi
: Hoffnung für die Forscher

Das Urteil der Berliner Verwaltungsrichter ist weise. Weder ist die Herausgabe von Kohls Stasiakten generell erlaubt noch generell verboten. Vielmehr kommt es auf den konkreten Einzelfall an, der dann erneut gerichtlich überprüft werden kann. Erst wenn klar ist, wer zu welchem Zweck welche Akten erhält, ist eine endgültige rechtliche Bewertung möglich.

Kommentarvon CHRISTIAN RATH

Dann kann zum Beispiel konkret überprüft werden, ob es dem Forscher oder Journalisten wirklich um Hintergründe zur Stasiarbeit geht. Denn die Herausgabe der Akten dient nur der Aufarbeitung der Stasimachenschaften, nicht der Aufdeckung von Politskandalen. Möglicherweise wird deshalb mancher, der hoffte, via Birthler-Behörde doch noch die Spender für Kohls schwarze Kassen zu enttarnen, am Ende in die Röhre schauen.

Zu Recht wurde aber auch Kohls Argumentation abgewiesen, der das novellierte Stasiaktengesetz für verfassungswidrig erklären wollte. Er wollte die Akten von Stasiopfern generell gesperrt sehen. Doch wie in vielen Diktaturen ist die Unterscheidung von Überwachten und Nutznießern des Regimes gar nicht so einfach. Schließlich hat mancher zunächst kooperiert und wurde später Dissident oder umgekehrt. Außerdem hat die Stasi vorsorglich auch Stützen des Regimes beobachtet. Die Kohl’sche Lösung hätte die Aufarbeitung der Stasigeschichte daher wirklich stark behindert.

Die Herausgabe von Akten, die Kohls Intimsphäre betreffen, ist ohnehin von vornherein ausgeschlossen. Was er am Telefon über seine Frau oder seine Sekretärin erzählte, geht niemand etwas an. Selbst Wortprotokolle von Gesprächen mit Partei- und Wirtschaftsfreunden sind tabu. So weit sind sich alle einig.

Dennoch muss sich Kohl nun weiter um seine Akten kümmern, muss Anträge von Forschern prüfen, mit Marianne Birthler verhandeln und gegebenenfalls erneut vor Gericht ziehen. Das wollte er eigentlich vermeiden, da es ihm als Geheimdienstopfer nicht zumutbar sei. Vielleicht wächst bei ihm deshalb das Verständnis für die Opfer der Aktivitäten westdeutscher Geheimdienste, die es auch nicht immer leicht haben, herauszufinden, was über sie an wen herausgegeben wurde, oder die nach gezielten Indiskretionen einen ramponierten Ruf wiederherzustellen versuchen. Bis dahin sei Kohl – ausnahmsweise und nur aus pädagogischen Gründen – das Motto seiner Regierungszeit hinterhergerufen: „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten.“