Neue Platten : Jungssein schon mal als Wert an sich: Ragazzi mit Anzugträger-Pop
Oh, ich liebe diese Schlagworte. „Neofuturistisch“ sollen die Lieder der Band klingen, werbebelletristisches Softeis, das man sich gern auf der Zunge zergehen lässt. Neofuturistisch. Also zurück in die Zukunft. Immer nur vorwärts in die Vergangenheit. Bei der Auflistung ihrer Einflüsse bekennen sich Ragazzi dabei zu Namen wie Brian Eno oder Blumfeld. Nichts aber ist von Depeche Mode zu lesen, nichts von Haircut 100 und den sonstigen britischen Föhnkapellen. Dabei könnte man ein Liedchen der Berliner Band problemfrei auf einen dieser Erinnerungssampler der Achtziger packen, würde niemand den Unterschied merken. Ragazzi. Aus dem Italienischen geholt steht das für Jungs. Die Platte nennt sich „Friday“. „Thank god it’s …“ darf man sich gleich dazudenken. Wochenende. Da liegt einem eine freundliche Jungsstimme im Ohr. Ganz sacht gelangweilt klingt die und auch mit dem notwendigen Quäntchen an Schnöseligkeit, denn hier geht es um Schickness-Pop. Unbedingt Anzug statt Jeans. Die richtigen Schuhe dazu müssen auch sein, dürfen aber vom Secondhand-Handel bezogen sein. Dazu ein paar melancholische Strähnchen. Wenn die Jungs dann locker mit der Discokugel kicken, so nebenher und ohne weitere Anstrengung, hat das sogar den Charme von alten Andreas-Dorau-Aufnahmen, also wirklich jugendlich, lässig, dass ich selbst kurz das lümmelhafte, Souveränität markierende (und damit extrem unsouveräne) Auftreten der Ragazzi jüngsthin beim Summerize-Festival vergessen könnte. Auch bemühen sie sich, den Pop gar nicht nach groß Masterplan klingen zu lassen. Doch so ein episches Format wie eine CD will erst mal gefüllt sein, und da passiert auf Dauer doch wenig Neofuturistisch-Überraschendes. Das Problem mit dem Wochenende. Man erwartet Wunder was, und dann ist es wie immer. Das Problem mit den Jungs. Sie sind alle gleich. TM