: Polizei setzt auf Vorbeugung
In jedem der 46 Berliner Polizeiabschnitte soll es künftig einen hauptamtlichen Präventionsbeauftragten geben
Um ein Haar wäre die Nachricht im Ausstellungsgetümmel untergegangen: Fast beiläufig kündigte Polizeipräsident Dieter Glietsch bei der Eröffnung der Ausstellung zum Thema „Häusliche Gewalt“ an, dass es in Berlin in jedem der 46 Polizeiabschnitte künftig einen hauptamtlichen Präventionsbeauftragten geben wird. Die Entscheidung ist insofern aufsehenerregend, als Prävention auf den Abschnitten bislang ein unterbelichtetes Kapitel war. Einzige Ausnahmen sind der Abschnitt 41 (Schöneberg Nord) und der für das Neuköllner Rollbergviertel zuständige Abschnitt 55. Diese standen der Polizeiführung bei der Ausformung des neuen Präventionskonzeptes Pate. Die Arbeit sei „beispielhaft für eine gelungene kiezorierentierte Polizeiarbeit“, sagte Glietsch.
Nach Jahren des Wartens sei dies „der Durchbruch“, freut sich Polizeikommissar Christian Korbach, einer von vier Beamten des Präventions- und Ermittlungsteams (PE-Team) vom Abschnitt 41. „Das sind kleine Schritte, aber es geht zielgerichtet voran.“ Auch wenn die vier Beamten des PE-Teams lieber von „Community-Policing“ sprechen: Das PE-Team ist eine Task-Force von Schöneberg Nord, die seit 1997 mit spürbarem Erfolg in dem problembelasteten Kiez wirkt. Das Konzept ist ganz einfach. Wenn Jugendliche anderen Jugendliche die Jacken abziehen oder wenn die Dealer im Hinterhof nerven, wird kein langer Schriftvorgang produziert, sondern im Verbund mit anderen Beteiligten nach einer schnellen Lösung gesucht. „Prävention braucht Partner“ lautet das Konzept, das auf Austausch und Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt, Quartiersmanagement, Jugendeinrichtungen, Anwohnern und Kiezgremien setzt.
Im Abschnitt 55 sind es fünf Beamte der Dienstgruppe zwei, die die Kriminalität im Rollbergviertel seit November letzten Jahres mit Erfolg bekämpfen. „Alle zwei bis drei Tage treffen wir uns mit Vertretern der betroffenen Institutionen“, sagt Polizeioberkommissar Mirko Frank. Vorbei seien die Zeiten, in denen Mütter ihre Kinder aus Angst vor Überfällen und Übergriffen nicht mehr nach draußen schickten. Früher hätten sich die bedrohten Anwohner nicht getraut, Strafanzeige zu erstatten, weil sie böse Folgen fürchteten. „Diese Angst“, so Frank, „haben wir ihnen genommen.“ Es kommt aber auch vor, dass alle beteiligten Institutionen am Ende ihres Lateins sind. So geschehen gerade unlängst im Falle eines jugendlichen Gewalttäters und Räubers. Weil alles nichts fruchtete und dann auch noch der Familienhelfer das Handtuch warf, wanderte der Jugendliche in Untersuchungshaft.
Was sie aus dem Auftrag machen, will Glietsch den Abschnitten überlassen. Freiwilligkeit ist oberstes Prinzip. Einzige Vorgabe ist, dass es einen hauptamtlichen Präventionsbeauftragten gibt, der die Aktivitäten koordienieren und nach außen als Ansprecherpartner zur Verfügung stehen soll. Denkbar sei zweierlei: dass die Abschnitte sich für das Modell Schöneberg Nord mit einem PE-Team entschieden oder aber für eine Dienstgruppe wie in Neukölln. Am liebsten würde es Glietsch natürlich sehen, wenn die gesamte Mann- und Frauschaft des Abschnitts den Präventionsgedanken „verinnerlichen“ und dementsprechend zielgerichtet auf die Probleme im Kiez reagieren würde.
In einer behördeninternen Leitlinie, die der taz vorliegt, wird Prävention ganz abstrakt so definiert: Prävention sei die Gesamtheit aller staatlichen und privaten Bemühungen, welche Kriminalität und Verkehrsunfälle verhüten oder mindern. In dem Papier werden aber auch Arbeitsschwerpunkte definiert. Als Reaktion auf die gestiegene Zahl der Gewaltdelikte von Jugendlichen soll die Bekämpfung der Jugendkriminalität in der Präventionsarbeit einen besonderen Raum einnehmen. Eine der wesentlichen Aufgaben des Präventionsbeauftragten werde die Durchführung „des stark nachgefragten Anti-Gewalt-Trainings“ an den Schulen sein, heißt es. Da die Durchführung solcher Veranstaltungen „ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen, Erfahrung und pädagogischen Kenntnissen“ voraussetze, sollten die Beamten an der Landespolizeischule dafür geschult werden.
Speziell zum Problem junger Gewalttäter nichtdeutscher Herkunft ist im Stab des Polizeipräsidenten ein ganz neues Arbeitsgebiet geplant: Entwickelt werden sollen Präventionskonzepte eigens für die Gruppen anderer Ethnien.