„Man braucht einen langen Atem“

Diskussionen mit rechtsextremen Akteuren funktionieren nicht, meint Lorenz Korgel. Rechtsextremen gehe es nicht um Dialog, sondern um die Demonstration von Stärke. Sinnvoller sei, sich mit Opfern rechter Gewalt zu solidarisieren

taz: Herr Korgel, Dialog mit Rechtsradikalen – macht das Sinn?

Lorenz Korgel: Man muss unterscheiden: Es gibt sozialpädagogische Maßnahmen, wo sich Pädgogen mit einzelnen rechtsextremen Jugendlichen auseinander setzen. Das macht Sinn. Diskussionen in der Öffentlichkeit hingegen gehen meist nach hinten los, weil unterschätzt wird, dass es sich dabei um ausgebildete, rhetorisch geschulte rechtsextreme Akteure handelt.

Die Auftritte der Rechtsextremen sind demnach Ihrer Meinung nach geplant?

Wir beobachten häufig, dass Rechtsextreme mit ganz gezielten Strategien in solche Diskussionen hineingehen. Sie sprechen untereinander ab, wer welche Diskussionsstränge vorgibt – der eine argumentiert emotional, der andere argumentiert vernünftig – während eine Gruppe meist jüngerer Leute den Raum besetzt und strategisch im Griff behält. In den Diskussionen verfolgen sie alle zusammen das Ziel, die Inhalte zu dominieren.

Sie meinen, das Dialogangebot an die Rechtsextremen wird als Arena für einen Schaukampf benutzt?

Ja. Für die Angehörigen der potenziellen gegnerischen Gruppen verlaufen diese Diskussionen nie demokratisch, weil sie sich immer bedroht fühlen müssen. Meinungsfreiheit ist in diesen Diskussionen nicht gegeben.

Warum dann solche Diskussionen, wie sie im „Brücke 7 e. V.“ stattfanden?

Manchmal ist es pädagogische Blauäugigkeit, zu glauben, dass sich rechtsextreme Ideologien in Dialogen auflösen lassen. Es wird dabei verkannt, dass Rechtsextremismus kein vernunftgeleitetes Ideologieensemble ist, sondern eine auf Vorurteilen und totalitären Wahrheiten aufgebaute Überzeugung.

Ist mit solchen Dialogangeboten die Hoffnung verbunden, die Rechtsradikalen könnten von ihren extremen Positionen abrücken?

Das wird damit bezweckt, aber ich habe das noch nicht erlebt. Insbesondere wird es gefährlich, wenn rechtsextreme Akteure aus dem Umfeld von Organisationen teilnehmen dürfen. Nach unserer Erfahrung ist der Dialog mit rechtsextremen Cliquen außerdem so, dass sich die wortstarken Cliquenführer mit den Pädagogen messen.

Und der Cliquenführer punktet?

Er kann nur gewinnen. In der Regel ist er Cliquenführer, weil er die anderen überzeugt hat, und das wird er in einem derartigen Szenario auch demonstrieren.

Heißt das: Finger weg von solchen Veranstaltungen?

Grundsätzlich ja. Leuten, die dennoch so etwas durchführen – Pädagogen, Lehrer, Politiker – ist auf jeden Fall ein Argumentationstraining zu empfehlen, weil die Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Diskussion geschult werden müssen.

Was schlagen Sie als Alternative vor?

Generell mangelt es an einer Solidarisierung mit Opfern rechtsextremer Gewalt. Und an dem wirklichen politischen Willen, langfristig und konzeptionell zu diesem Problem zu arbeiten. Den Besen, der das Problem Rechtsextremismus hinwegfegt, den gibt es nicht. Man braucht dafür einen langen Atem.

INTERVIEW: WALTRAUD SCHWAB