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Archiv-Artikel

Kein postmodernes Rätselraten

Die Welt hat sich gewandelt. Die Drachentrilogie auch. Nun ist sie so zeitlos dass Robert Lepage mit ihr nach 30 Jahren immer noch um den Globus reist

von Caroline Mansfeld

Am Ende ist die Welt versöhnt. Orient küsst Okzident. Die japanische Kioskverkäuferin findet mit dem kanadischen Künstler über einer Installation, genannt „Konstellation“, zusammen. Sie leuchtet wie ein Sternenmeer am Boden. Und über einer Lichtöffnung breitet die dunkelhaarige Schöne drei Tableaus mit selbst gezeichneten Drachen aus. Ein grüner, ein roter und ein weißer Drache.

Die Inszenierung „The Dragons' Trilogy“ bescherte der Theaterwelt 1987 eine wegweisende Produktion des magischen Bildertheaters. Und ihrem Schöpfer, dem Schauspieler, Regisseur (“The Seven Streams Of The River Ota“ (1994) „The Far Side Of The Moon“ (2000)), Filmemacher (“Le Confessional“ (1995), „Le Polygraph“ (1996)), Autor und Multimediakünstler Robert Lepage den internationalen Durchbruch und den Beinamen „Robert Wilson Kanadas“.

Die Welt hat sich seither gewandelt. Die Drachentrilogie mit ihr. Heute ist sie so zeitlos und grenzüberschreitend, dass Lepage mit ihr auch nach 30 Jahren Gastspielen auf allen wichtigen Festivals immer noch um den Globus reist. An drei Abenden war das Mammutspektakel jetzt ein Höhepunkt beim Sommerfestival Laokoon auf Kampnagel.

Und obwohl sich der fünfeinhalbstündige Abend einer zugegeben arg eindeutigen Zeichenästhetik der 80er Jahre verschreibt, hat er von seiner Faszination wenig eingebüßt. Da macht es fast nichts, dass kaum jemand dem Sprachcocktail aus Englisch, Französisch, Québecois und Kantonesisch folgen dürfte. Lepage und sein Künstlerkollektiv Ex Machina finden so leicht zu dechiffrierende Bilder, dass großes postmodernes Rätselraten gar nicht erst aufkommt.

Der viel zitierte „Bildermagier“ braucht dazu wenig Raum. Ein mit Steinen umrandetes Kiesbett und eine verglaste Bretterbude genügen. Auf diesem schmucklosen Parkplatz errichtet er sein ganzes Universum. Hier ersteht das Chinatown im Québec des Jahres 1930, wo die befreundeten Kusinen Francoise und Jeanne ihre sorglos kichernde Jugend erleben und von Liebe und Königreichen träumen.

Die Bretterbude wird zur Wäscherei des Chinesen Wong, der mit dem ironischen Briten Crawford Geschäfte eingeht, der Jeannes alkoholkranken Vater dazu bringt, im Glücksspiel nicht nur seinen Frisörladen, sondern auch seine von einem anderen geschwängerte Tochter an dessen Sohn Lee zu verspielen.

Blende ins Toronto von 1940. Das Schicksal schlägt zu. Jeanne gibt ihre psychisch kranke Tochter Stella ins Heim, sucht ihre große Liebe auf und begeht Selbstmord. Kusine Francoise hat da mehr Glück. Sie heiratet einen Soldaten. Ihr Sohn Pierre eröffnet in Vancouver eine Galerie und trifft die kunstliebende Japanerin.

Es sind die schicksalhaften Umschwünge der Generationen und die Einsicht, dass die Welt doch so klein ist, dass man sich auf irgendeinem Flughafen der Welt immer zweimal trifft, die das Stück tragen. Und die wunderbar poetischen Ideen, in denen die auf einem Fahrrad schreiende Betschwester zur hängeschultrigen Stella mutiert, Francoise mit ihrem Gatten Schlittschuh läuft, oder die Japanerin Yukuli in ihrem Flughafenkiosk besessen Papierflugzeuge faltet, während Jeanne am selben Schaufenster geröntgt wird.

Die gezielte Lichtchoreographie und die mystische elektronische Tonspur von Robert Caux schaffen eine glatt polierte Oberfläche. Die weniger dem Theater verpflichtet scheint, als Lepages Tourinszenierungen für Popsänger Peter Gabriel.

Zuweilen unterbrochen von Tai-Chi-artigen Tänzen, ausgeführt von traditionell gekleideten Gesichtslosen. Mit der Psychologie seiner Figuren hält sich Lepage nicht weiter auf. Sie bleiben schattenhafte Schemen im Hohlraum der Geschichte. Es sind die globalen Phänomene von Mobilität, Begegnung und Versöhnung aller Menschen in der einen Welt, die heute noch berührt und zahlreiche Hoffnungen weckt.