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Archiv-Artikel

In barocker Eintracht: Forschung und Gestaltung

Museumsstiftung Schloss Gottorf versucht an alte Glanzzeiten anzuknüpfen. Wiederherstellung des italienischen Hanggartens aus dem 17. Jahrhundert

Die Geschichte Schleswig-Holsteins im Spiegel der Kunst erlebbar machen

Etwa hundert Kilometer nördlich von Hamburg, unweit der alten Wikingerstadt Haddeby, liegt im äußersten Winkel der Schlei vor Schleswig schneeweiß und breit hingelagert auf einer Burginsel: Schloss Gottorf. Hier zentriert sich die Geschichte Schleswig-Holsteins.

Seit 1268 Sitz der Herzöge von Schleswig war Gottorf im 16. Jahrhundert gar Residenz des dänischen Königs und eines der ersten im Stil der Renaissance gestalteten repräsentativen Gebäude des Nordens. Um 1700 barockisierten die Herzöge Schloss Gottorf auf geradezu imperiale Weise. Im 19. Jahrhundert verkam es erst zur dänischen Kaserne, fiel dann nach dem österreichisch-preußischen Krieg gegen Dänemark ab 1864 an das preußische Militär und drohte langsam zu verfallen. 1947 zog das Landesmuseum ein, die Anlagen wurden umfangreich saniert und die Sammlungen seitdem stets vergrößert.

Inzwischen ist das Ganze eine viel größere Wunderkammer als es die 1749 nach Kopenhagen gebrachte Wunderkammer und Bibliothek einst war: Auf den heutigen 55.000 Quadratmetern Museumsfläche könnte man fünf Mal die Münchner Pinakotheken unterbringen.

Das Museum hat aber nicht nur in der Größe europäische Dimensionen: Als Tribut an die dänisch-deutsche Geschichte, an die nordischen Touristen und die jütländische Minderheit südlich der heutigen Grenze finden sich durchgängig auch dänische Beschriftungen an dem Schloss.

Was sind die Höhepunkte dieses Schätze bergenden Areals? Die archäologischen Sammlungen mit dem Nydam-Schiff, dem einzigen nahezu perfekt im Moor konservierten germanischen Kriegsschiff aus der Spätantike: 23 Meter lang und fast 500 Jahre älter als die sonst so bestaunten Wikingerschiffe? Oder der Raum mit Moorleichen, nicht weit von einer Sammlung japanischer Samurai-Rüstungen? Den einen mag die Schlosskapelle aus den 1590er Jahren mit dem „Herzoglichen Betstuhl“ beeindrucken, der ein Musterbuch nordischer Renaissance-Ornamentik ist, den anderen das Mezzanin mit den acht Räumen der Jugendstilsammlung oder die ehemaligen Pferdestallungen mit der bedeutenden Expressionisten-Sammlung, den Noldes und Barlachs. Wie dann noch Zeit finden für die Cranachs und die Kutschen, die Kunst aus Äthiopien und die Steinzeitfunde?!

Seit 1999 sind die Museen auf Schloss Gottorf in eine selbstständige Stiftung überführt. Die hat jetzt einen alten Wunsch in Angriff genommen: Wiederherrichtung des einst im ganzen Norden berühmten Barockparks „Neuwerk-Garten“ am nördlichen Hang hinter dem Burgsee. Schon 1997 wurden Bruchstücke zur barocken Herkulesbrunnenfigur rekonstruiert. Inzwischen geht es mit einem Budget von zehn Millionen gestifteten Euro um die Wiederherstellung des italienisch beeinflussten Hanggartens aus der Mitte des 17. Jahrhunderts – samt Neubau des zentralen Globushauses.

Dazu gehört auch die Rekonstruktion eines einst international gerühmten wissenschaftlich-technischen Meisterwerks: Dem früher durch Wasserkraft zum Drehen gebrachten, über drei Meter im Durchmesser messenden Erd- und Sternenglobus. Von außen akkurat nach dem damaligen Wissen der Geographie bemalt, ist er im Inneren als Planetarium ausgelegt und zeigt den Auf- und Untergang der Sternbilder.

Vom Hofgelehrten Adam Olearius etwa 1650 gebaut, wurde der Riesenglobus schon 1713 auf Wunsch Peter des Großen von Russland nach St. Petersburg gebracht. Das dort in Resten erhaltene Original ist heute in einem nicht mehr präsentablen Zustand.

Die Rekonstruktion von Garten samt wissenschaftlich-technischem Paradestück eröffnet dem ohnehin schon komplexen Schlossensemble zusätzlich die kosmische Erfahrung des barocken Zusammenhanges von gelehrter Welterforschung, gärtnerischer Weltgestaltung und ästhetischer Weltbeherrschung. Einweihung und Eröffnung ist im Frühjahr 2005 geplant. Hajo Schiff

bis Ende Oktober täglich 10-18 Uhr; ab November: Di-Fr 10-16 Uhr, Sa/So 10-17 Uhr. Infos zu aktuellen Ausstellungen: www.schloss-gottorf.de