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Archiv-Artikel

Heile, heile Segen

Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig spricht erstmals vor der Versammlung der Hamburger Schulleiter. Die Schule der Zukunft soll selbst verantwortet sein, und die Bildungsbehörde soll „einfach mal loslassen“ können

von kaija kutter

Das gab es noch nie. Erstmals lud gestern mit Alexandra Dinges-Dierig eine Bildungssenatorin alle rund 420 Hamburger Schulleiter auf einmal zum Reden ein. Doch das nachmittägliche Zusammensein bei Apfelsaft und Gebäck im Fuhlbüttler Albert-Schweitzer-Gymnasium war wohl eher der Versuch, zu retten, was zu retten ist. Denn nach ihrem 1.000 Stellen umfassenden Sparpaket droht Dinges-Dierig so unbeliebt wie ihre Vorgänger zu werden.

Rabatz würde es nicht geben, das war vorher klar. „Schulleiter mucken nicht auf. Wir sind doch loyal“, sagte eine Rektorin am Morgen vor der Veranstaltung, zu der zum Erstaunen der Schulleiter „schon wieder“ die Medien kommen durften. Doch die parteilose Senatorin wählte mit der „Schule der Zukunft“ ein Thema, das unverfänglich und beliebt ist bei allen Pädagogen und deswegen auf Zustimmung stieß.

Nach ein wenig Seelenmassage – „Die ersten fünf Monate waren bestimmt auch für sie als Schulleiter kein Honigschlecken“ – und der Aufforderung, die Lehrerkollegien doch auch mal dafür zu loben, dass sie es schaffen, mit der Entwicklung sich stetig verändernder Kinder Schritt zu halten, äußerte Dinges-Dierig sogar kritische Töne gegenüber ihrer eigenen Bildungsbehörde: „Sie werden kleinschrittig gegängelt. Und wehe, Sie weichen vom Weg ab. Dann droht gleich die Einbestellung in die Behörde.“

Das soll anders werden. Hamburgs Schulen sollen mit der Stadt „Ziel- und Leistungsvereinbarungen“ treffen, „und ansonsten ist Schule frei“, sagte die Senatorin. Dabei müsse auch die Behörde einmal lernen „loszulassen“. Dies ginge zwar nicht von heute auf morgen, doch sie werde mit den Unmengen von Erlassen und Vorschriften „hart ins Gericht gehen“.

Doch auch die Lehrer sollten sich Ziele setzen, beispielsweise sich vornehmen, dass am Jahresende „kein Schüler mehr eine Fünf hat“. Die Schule der Zukunft brauche aber für Qualität nicht unbedingt „Quantität an Ressourcen“ – das, so Dinges-Dierig, „haben wir seit Pisa schwarz auf weiß“.

„Steuerung ist outputorientiert“, „Output wird gemessen“, „Ressourceneinsatz ist optimiert“, stand in grünen Blasen in der Computergrafik an der Wand. Eine externe Schulinspektion würde die Kontrolle übernehmen, ein neue Unterstützungsystem den Schulen helfen, die Ziele zu erreichen. Am Ende freilich müssen die bundesweit vorgegebenen Standards erfüllt sein. Darauf weist gleich viermal der Pfeil „externe Tests“.

„Es war nicht viel Neues, aber wenigstens hat sie sich mal geöffnet“, sagte der Schulleiter, der nach dem Vortrag als Erster ging. „Wir hatten schon ganz viel Freiheit als Schulen. Unter dem CDU-Senat wurde sie uns genommen“, sagt ein anderer.

„Die meisten von uns Schulleitern würden wirklichen Spielraum begrüßen. Aber sie befürchten auch, bei der selbst verwalteten Schule für weitere Verschlechterung haftbar gemacht zu werden“, sagte eine andere Rektorin ohne Namensnennung. Denn zu den vielen Erlassen kam unter Dinges-Dierig ja noch der Maulkorb hinzu.