palastrevolte : Land unter im Volkspalast
Kaum ist der Palast der Republik als Volkspalast wieder eröffnet, sind auch die Bonzen wieder da. Am Freitag feierte der Thinktank des Neoliberalismus „McKinsey“ instinkt- und stilsicher im für die Öffentlichkeit gesperrten Palast sein vierzigjähriges Bestehen. Das Volk wurde erst in der Nacht darauf wieder in die stehen gebliebene orangefarbene Partykulisse gelassen, eine enorme Bar- und Clublandschaft im ersten Stock. Deren Siebzigerjahre-Ästhetik erinnerte entfernt an den Palast-Original-Einrichtungsstil und daran, dass Planwirtschaft heute das Gesicht von Unternehmensberatern wie McKinsey hat.
Der Andrang in der Langen Nacht der Museen war groß. Geduldig wie einst vor dem Lenin-Mausoleum an der Moskauer Kreml-Mauer und heutzutage vor der MoMA-Schau in der Neuen Nationalgalerie wartete das Volk vor den extra eingerichteten Schranken auf Einlass. An die fünfzehntausend müssen es bis zum Ende gewesen sein, die da durch dieses partymäßig herausgeputzte Gebäude geströmt und gelustwandelt sind.
Im ersten Stock floss über einer enormen Tanzfläche dreifarbiges Licht durch Cube-Lights, während blaue Scheinwerfer im Rhythmus irgendwelcher Beats zuckten. Junges Partypublikum hing versonnen an den Rändern des Ambientes. Ältere machten sich schnell, vom Diktat der Mode eingeschüchtert, wieder davon.
Eben war dieses von Asbest und jeglicher Geschichte bereinigte Stahlgerippe noch die große Leerstelle der Stadt, um deren Besetzung mit neuer Bedeutung gekämpft und gestritten wurde. An diesem Abend präsentierte sich der Palast nur noch als trendy, als modisches Phänomen, das sich so extrem auf der Höhe seiner Marktfähigkeit zeigt, dass sogar eine Firma wie McKinsey hierher drängt und man selbst sich fast zum Schlossanhänger bekehren möchte. Zu allem Überfluss wurde im Erdgeschoss noch ein albernes „Mauer“-Spiel gespielt, in dem es darum ging, die Berliner Mauer um die Wette auf- beziehungsweise abzubauen. So leicht lässt sich also auch ein Ort wie der Palast der Republik zur Spielwiese für harmlosere Gemüter neutralisieren.
Aber wir wollen sehen, was die diese Woche bringt. Da nämlich wird der Palast mit Wasser geflutet und von der Gruppe „raumlabor-berlin“ und den „Peanutz-Architekten“ mit einer labyrinthischen Fassadenstadt bebaut. Besucher besteigen Schlauchboote und können sich die Fassadenstadt des Palasts vom Wasser aus erläutern lassen. Aber auch aktiv kann jeder am Projekt teilnehmen: als Designer einer Fassade für die Fassadenrepublik, in die sich der Palast dann verwandeln wird. Ideengeber müssen sich aber eilen: Einsendeschluss ist bereits heute. Schließlich ist das Projekt hochsymbolisch gemeint: als Zukunftsschule und Labor für neue urbane Strategien.
Und wieder einmal gilt, was für richtig gute Projekte immer gilt: Es kann ganz gut ohne alle Symbolik auskommen. Denn das ist schon eine ziemlich abgefahrene Vorstellung, sich im Schlauchboot durch die düstere Palastlandschaft aus Stahlträgern und Treppenschächten fortzubewegen.
An historische Geisterbahnen herrscht in Berlin ja nun wirklich kein Mangel, vom Führerbunker bis zur Kanzler-U-Bahn am Reichstag. Doch der Palast der Republik ist momentan die mit Abstand spektakulärste. ESTHER SLEVOGT
Volkspalast: „Republik Rebooted“, Plattform und Diskussion über „Radio in Berlin – für wen?“. Mittwoch ab 22 Uhr. Premierenfeier Fassadenrepublik, Freitag 19 Uhr. Weitere Programminfos im Netz unter: www.volkspalast.com