Warme Blicke auf die Nazizeit

Allgemein Menschliches, allzu gemein Menschliches: Diskussionen um Margarethe von Trottas Film „Rosenstraße“

Wolfgang Benz, der Leiter des Instituts für Antisemitismusforschung, hat der Regisseurin Margarethe von Trotta in der SZ vorgeworfen, mit ihrem Film „Rosenstraße“ Geschichte verfälscht darzustellen. Das widerspreche dem erklärten Anspruch des Films, wolle von Trotta doch zeigen, was sich im Februar und im März 1943 in der Berliner Rosenstraße zutrug. Im Gebäude des jüdischen Wohlfahrtsamts wurden damals jüdische Deutsche interniert, ihre nichtjüdischen Ehepartnerinnen protestierten, und am Ende wurden die Internierten nicht deportiert, sondern freigelassen. Zweifelhaft ist für Benz unter anderem, ob die Freilassung – wie es der Film suggeriert – als Folge des Protests zu sehen ist. Als „Geschichtsklitterung“ beklagt der Historiker zudem einen Auftritt der Filmheldin bei Goebbels, und in der Tat hat diese fiktive Begegnung vieles, was einem in viel Seife weich gespülten bürgerlichen Trauerspiel enstammen könnte.

Margarethe von Trotta hat ihren Film unterdessen im BR verteidigt: „Im Vorspann des Films steht nur: Die Ereignisse haben wirklich stattgefunden. Die Ereignisse sind die Frauen, die dagestanden haben und Mut bewiesen haben. Warum die freigekommen sind, das kann weder Herr Benz sagen noch irgendein anderer Geschichtler. Da gibt es nämlich wirklich keine überzeugenden Dokumente.“

In der ihrem Metier eigenen Logik haben beide Recht: der Historiker, insofern er komplexe Fakten überschaut, von einfachen Kausalbeziehungen nichts hält und daher jede Reduktion beklagen muss. Und die Filmemacherin, insofern sie sich nicht damit aufhalten möchte, die Bruchstücke von Geschichten abzubilden. Ihr ist es um eine Geschichte zu tun, um eine überzeugende, packende zumal. Nicht leichter wird es, wenn jeder Hinweis, ein Film beruhe auf wahren Begebenheiten, als Teil einer narrativen Strategie zu verstehen ist. „Based on the true facts“ lässt sich umstandslos mit „Es war einmal …“ übersetzen.

Was dabei im Fall von „Rosenstraße“ ein Problem darstellt, ist von Trottas Perspektive: Es ist ein warmer Blick, den sie auf die Ereignisse wirft. Es geht von Trotta weniger darum, die historischen Ereignisse zu durchdringen, als darum, ihnen das allgemein Menschliche abzugewinnen. Doch genau dieses allgemein Menschliche hat sich im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus so grundlegend diskreditiert, dass seine filmische Ausschmückung fragwürdig wird – zumal dann, wenn man keine Bilder findet, die sich den eingeschliffenen Darstellungsweisen entziehen. Man erkennt in „Rosenstraße“ die Kulissen und die Kostüme wieder, die man in „Aimée und Jaguar“ oder „Leo & Claire“ gesehen hat, und erschrickt: Warum gelingt es so wenigen deutschen Spielfilmen, eine plausible ästhetische Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus einzunehmen?

Es gibt Filme, die, obwohl auch sie sich nicht um ein akkurates Abbild bemühen, kühle Perspektiven auf Geschichte und Zeitgeschichte entwickeln. Manchmal führt dies zu jenem kristallinen Augenblick, in dem man etwas scheinbar Bekanntes sieht und dennoch etwas Neues passiert. „Rosenstraße“ gehört leider zu den Filmen, in denen dieser Augenblick ausbleibt. CRISTINA NORD