: Ratlosigkeit in Kongos „kaltem Krieg“
Südafrikas Präsident Mbeki erfand einst Kongos Allparteienregierung, die nach einem Massaker und dem Aussetzen der Mitarbeit der größten Rebellenbewegung in der Krise steckt. Nun besucht er das Land, wo die Kriegsangst zunimmt
BERLIN taz ■ Die Reise ist seit langem geplant. Dennoch richtet die Demokratische Republik Kongo hohe Erwartungen auf Südafrikas Präsidenten Thabo Mbeki, der gestern zu einem 48-Stunden-Besuch in der Hauptstadt Kinshasa angekommen ist. Flankiert von sieben Ministern, soll Mbeki eine gemeinsame südafrikanisch-kongolesische Kommission ins Leben rufen, um eine Serie von Kooperationsabkommen zwischen dem reichsten und einem der ärmsten Länder Schwarzafrikas umzusetzen.
Mbeki steht im Kongo aber nicht nur für die Hoffnung auf Milliardeninvestitionen der Bergbaumultis. Der südafrikanische Präsident war der Erfinder der Allparteienregierung des Kongo – mit Joseph Kabila als Präsident und vier Vizepräsidenten aus unterschiedlichen politischen Fraktionen an seiner Seiten. Diese „Eins plus vier“-Regelung war Ergebnis der Kongo-Friedensgespräche in Südafrika 2002 gewesen. Doch vergangene Woche setzte Kongos wichtigste Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) ihre Mitarbeit in der Allparteienregierung aus – Konsequenz aus einem Massaker an 163 kongolesischen Banyamulenge-Flüchtlingen in Burundi zehn Tage vorher. Nun liegt dieses Konstrukt und somit Kongos Friedensprozess insgesamt auf Eis. Und ganz Kongo hofft, dass Mbeki daran etwas ändert.
Dadurch, dass Mbeki nicht nur Kabila treffen will, sondern alle vier Vizepräsidenten – also auch RCD-Chef Azarias Ruberwa, der die Suspendierung aus der einstigen RCD-Hauptstadt Goma im Ostkongo heraus verkündete – ist die Grundrichtung bereits klar: An „Eins plus vier“ wird nicht gerüttelt – aber an Ruberwas Stellung auch nicht. Neuverhandlung des Friedensvertrages nein, Gespräche innerhalb der bestehenden Institutionen ja – dies ist die Linie der verschiedenen internationalen Politiker, die sich letzte Woche in Kinshasa die Klinke in die Hand gaben, und auch Mbeki wird dies sagen.
Der RCD-Führer traf denn auch gestern aus Goma in Kinshasa ein. Dem Rebellenchef stehen nicht nur mit Mbeki interessante Gespräche bevor: Viele seiner Parteigenossen waren mit dem Rückzug aus der Regierung nicht einverstanden und verlangen einen RCD-Sonderparteitag.
Die Bestätigung der Allparteienregierung durch das Ausland bedeutet jedoch nicht, dass alles beim Alten bleibt. Dazu ist das Misstrauen zwischen den ehemaligen Kriegsparteien zu tief. Massiver internationaler Druck sorgte zwar letzte Woche dafür, dass auf Ruberwas Suspendierungserklärung keine Kriegserklärung Kinshasas gegen Goma folgte. Stattdessen verkündete Kabila, niemand habe die RCD aus der Regierung ausgeschlossen, der Friedensprozess müsse vorankommen und alle Seiten sollten Ruhe bewahren.
Doch jenseits dessen tut sich in Kinshasa eine politische Wüste auf, in der keine einzige Initiative zur Überwindung der politischen Blockade zu gedeihen scheint. Der Kongo befindet sich nicht im Krieg – aber er findet auch nicht zum Frieden zurück. Stattdessen mehren sich im Ostkongo Anzeichen dafür, dass doch militärische Auseinandersetzungen in Vorbereitung sind. In Goma, der RCD-Hochburg, häufen sich mysteriöse nächtliche Morde.
Schon seit Monaten blockiert Kabila mit seinem Wunsch nach einer 15.000 Mann starken Präsidialgarde unter seinem persönlichen Kommando außerhalb der Allparteienstruktur die Bildung einer neuen geeinten Armee für den Kongo. Die im Juni von Kabila nach Ostkongo entsandten Kampftruppen sind immer noch in Stellung – die abtrünnigen RCD-Soldaten unter Kommando des radikalen Generals Laurent Nkunda, der sich selbst von Ruberwa nichts sagen lässt, auch.
Die alte Forderung der internationalen Geldgeber, dass von der ausländischen Finanzhilfe für Kongo nichts in das Militär fließen darf, hat da paradoxe Folgen: Die aus den Provinzen einlaufenden Steuer- und Zolleinnahmen wandern in Kriegskassen für Kabilas Generäle. Logischerweise halten RCD-Provinzgouverneure – vor allem in Nordkivu mit der Hauptstadt Goma – nun wieder ihre Einnahmen zurück, die sie sowieso nur selten abführten. Und lokale Bürokraten, die die RCD nicht unterstützen, wollen ihrerseits ihre lokalen Einnahmen nicht einmal mehr nach Goma schicken. So lebt die aus dem Krieg vertraute Fragmentierung des Kongo wieder auf. DOMINIC JOHNSON