Ein Rauswurf für Zivilcourage

Weil er sich einer diskriminierenden Anweisung seines Chefs widersetzte, verlor Personalmanager Holger Müller seinen Job. Nun will er erneut vor Gericht gegen seine Kündigung klagen

VON NATALIE WIESMANN

Holger Müller will kein Held sein, er will einfach nur wieder einen Job. Im vergangenen Oktober wurde der Personalmanager gefeuert, weil er sich aus Gewissensgründen der Anweisung seines Chefs „Bitte stellen sie keine Türkinnen mehr ein“ widersetzte. Müller zog nach der fristlosen Kündigung bei der Wülfrather Kosmetikartikel-Firma Titania vors Wuppertaler Arbeitsgericht. Die Richter gaben dem Unternehmer Recht, sie stellten die Anweisung des Chefs über das Diskriminierungsverbot. Nicht der Rauswurf selbst, nur die fristlose Kündigung wurde vom Gericht als überzogen zurückgewiesen. Am kommenden Dienstag will der 36-jährige Familienvater noch einmal für sein Recht kämpfen: Er geht vor dem Landesarbeitsgericht in Düsseldorf in Berufung.

„Mein Fall ist ziemlich einzigartig“, sagt Müller zur taz und beruft sich dabei auf Recherchen seines Anwalts. Es sei schon fast dumm gewesen von seinem Ex-Chef, vor Gericht den wahren Grund hinter dem offiziellen Kündigungsgrund „Arbeitsverweigerung“ zuzugeben. Noch überraschender hätten aber die Richter reagiert: Es sei doch das gute Recht des Arbeitgebers, keine Türkinnen einstellen zu wollen, sagten sie.

Die richterliche Entscheidung hat jetzt auch den Forschungsbereich „Rechtsextremismus und Neonazismus“ der FH Düsseldorf auf den Plan gerufen: „Es ist ungeheuerlich, dass ein Gericht das Dienstrecht eines Arbeitgebers über das Diskriminierungsverbot nach Artikel 3 des Grundgesetzes stellt“, sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter Martin Langebach. Wenn es ein Antidiskriminierungsgesetz gäbe, sähe die Situation ganz anders aus: „Aber der deutsche Bundestag ist nicht in der Lage, die EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung in nationales Recht umzuwandeln.“

Pech für Holger Müller. Dieser ist jedoch nicht nur von der deutschen Gesetzgebung und der Justiz enttäuscht. „Außer der türkischen Botschaft hat mich niemand beglückwünscht“, sagt er. Weder die Grünen noch die Gewerkschaft, bei denen er Mitglied sei, hätten ihm in irgendeiner Form Unterstützung angeboten: „Alle fordern Zivilcourage, doch wenn einer sie leistet, sind alle gnadenlos überfordert.“ Am peinlichsten sei die Umgangsweise der von Heiner Geißler ins Leben gerufenen „Aktion Courage“ gewesen: Diese hatte Müller Hilfe versprochen. Dann habe das Bündnis aber lediglich der Geschäftsführung von Titania einen Brief geschrieben, ob es stimme, dass Müller eine solche Anweisung gegeben hätte und dass das nicht in Ordnung sei. „Ich habe mir nur gewünscht, dass sich unter mir ein Loch auftut“, sagt Müller.

Auf dem elften Gedenktag zum Brandanschlag in Solingen bekam Müller dann eine kleine Anerkennung: Im Namen des Bündnisses für Toleranz und Zivilcourage überreichte ihm der Oberbürgermeister den „silbernen Schuh“ für seinen Einsatz. „Die Solinger hatten jetzt endlich ihren Helden“, lacht Müller sarkastisch. Doch leider seien nur ein paar rührselige Tränen geflossen. Zu einem Job habe ihm niemand verholfen, sagt er. Denn selbst wenn er den Prozess gewinnen sollte: Bei Titania will Müller nicht mehr arbeiten.