Missbrauch an Jungen : Kinder brauchen Verständnis
Endlich liegen fundierte Zahlen vor. Und sie klingen alarmierend: Jeder zwölfte männliche Jugendliche hat pädosexuelle Kontaktaufnahmeversuche von Erwachsenen erlebt. Und zwar außerhalb seines Zuhauses. Diese Zahl allein – ohne Berücksichtigung des sexuellen Missbrauchs in der Familie, der noch dazu kommt – sollte endlich deutlich machen: Auch männliche Jugendliche können Opfer sein.
Kommentar von WALTRAUD SCHWAB
Vielfach wird sexueller Missbrauch vor allem mit Mädchen in Zusammenhang gebracht. Ganz nach dem Motto: Frauen sind verfügbar. Das aber ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere: In einer sexualisierten Gesellschaft sind Geschlechtergrenzen irrelevant. Alles ist sexualisierbar, jeder kann Sexualobjekt sein. Dies ist eine der Botschaften, die aus den nun vorliegenden Zahlen gezogen werden muss.
Dabei geht es keinesfalls um Panikmache. Denn natürlich kann den Kindern die Konfrontation mit der Welt da draußen nicht erspart werden. Aber alle, die mit Kindern zu tun haben – Eltern, Lehrer, Projektleiter – müssen sich bewusst machen, dass auch Jungen regelmäßig Opfer von sexuellen Avancen und gar Übergriffen werden. Nur wenn das begriffen wird, können sie lernen, die unterschwelligen Andeutungen der jugendlichen Opfer zu verstehen und adäquate Ansprechpartner zu sein. Kinder brauchen Erwachsene ihres Vertrauens. Und die Erwachsenen dürfen dieses Vertrauen der Kinder nicht manipulieren. Manipulation von Vertrauen nämlich ist das Einfallstor, das es pädosexuellen Tätern leicht macht, Kinder für eigene Absichten gelehrig zu machen.