■ Reaktionen zum Artikel über Dancehall- und Reggaemusiker, die gegen Homosexuelle hetzen : Präzise Sachlichkeit fehlt
betr.: „Homo passt nicht ins Rasta“, taz vom 26. 8. 04
Kulturell geprägt wurde Jamaika also vor allem durch die Kolonialzeit. Mitte des 17. Jahrhundert erreichten englische Seefahrer die Insel. Diese setzten sich vor allem aus dem zusammen, was in England keiner mehr wollte, Diebe, Betrüger, Taugenichtse. Hatten die also schon den Schwulenhass im Blut? Oder waren es die Seeräuber, die sich in den kommenden Jahrzehnten immer wieder auf der Insel einrichteten? Wann genau kann das gewesen sein, dass Schwule das Feindbild einer ganzen Nation wurden. Vielleicht war es auch Markus Garvey und seine Ausrufung eines schwarzen Kaisers oder gar Haile Selassi selbst, der von Äthiopien aus die Homophobie als integralen Bestandteil der jamaikanischen Kultur etablierte.
Buju Banton ruft in seinem Lied „Boom bye bye“ von 1992 also auf, Schwule zu vernichten. Nun ja, nehmen wir nun also alle Künstler beim Wort. Glaubt R. Kelly also wirklich, dass er fliegen kann, sind Britney Spears Liebhaber tatsächlich giftig, und versuchten Midnight Oil allen Ernstes in brennenden Betten zu schlafen.
Eine gewisse Distanz kann nicht schaden, wenn man sich um jamaikanische Reggaemusik kümmert. Distanz, die notwendig ist, um eben nicht alle Künstler beim Wort zu nehmen. Jeder namhafte Star der Insel, männlich und weiblich, hat rein rhetorisch schon hunderte von Schwulen auf dem Gewissen. Faktisch ist kein Fall bekannt, mit Ausnahme von Buju Banton, der an einem Überfall beteiligt gewesen sein soll. Im Zweifel für den Angeklagten, solange unschuldig, bis die Schuld nachgewiesen ist. Im Fall von Buju Banton gilt das wohl nicht. Da gehen wir auf die Straße und verlangen von einem Künstler, dass er sich von einem früheren Werk distanziert. Besser noch, dass er sich dafür entschuldigt. Wenn wir schon so vertraut sind mit der jamaikanischen Kultur, sollten wir wissen, dass das einer Entmannung gleichkommt.
Warum nur nimmt der deutsche Lesben- und Schwulenverein an, dass der gemeine deutsche Staatsbürger nicht selbst entscheiden kann, ob er der homophoben Aussagen Buju Bantons zustimmt oder nicht. […] SIBYLLE RAHM
Sobald es kritische Äußerungen gegenüber Homosexuellen und „Queer Lifestyle“ gibt, gehen sämtliche Redaktionen der taz auf die Barrikade. Im Fall jamaikanischer Musikkultur und textlicher Elmente bezüglich Homosexualität und ganz speziell im Zusammenhang mit Buju Banton fehlt mir Ihre sonst so präzise Sachlichkeit.
[…] Generell zeigt sich im Artikel deutlich eine eurozentrische Position bezüglich der Thematik. Texte, Textpassagen und diskursive Elemente von Dancehallstücken, wie auch Rapstücken sind nicht immer eins zu eins zu lesen, Ihre diesbezügliche Interpretation ist absolut einseitig und wird dem komplexen Hintergrund in keiner Weise gerecht. […]
Eine andere Sache hinsichtlich dieser Thematik sind ohne jede Frage faktische Gewaltverbrechen und Mord an homosexuellen Personen. Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist aber leider auch das verbrauchte Schlagwort Globalisierung, denn die Ablehnung des homosexuellen Lifestyles in der jamaikanischen Musik ist schließlich unter anderem auch als Gegenposition zur westlichen Dominanz zu verstehen. Was Rasta-Positionen anbelangt, gründen diese nicht nur auf alttestamentarische Passagen der Bibel, denn auch im neuen Testament, speziell im Lukas-Evangelium und im Johannes-Evangelium lassen sich sehr eindeutige Positionen der christlichen Lehre zur Homosexualität finden. […] Auch Sie sollten verstehen, dass es bezüglich Homosexualität andere Ansichten gibt und geben darf als die der westlichen „Queer-Bewegung“, was natürlich nur so lange gilt, wie fundamentale Menschenrechte eingehalten werden.CHRISTIAN P. OEHMICHEN, Ethnologiestudent, Heidelberg
Wann hört eure Hetze gegen Buju Banton und dessen Konzertveranstalter endlich auf? Natürlich ist der stets zitierte, 12 Jahre alte Song (der übrigens nur als Maxi Single in einem kaum verständlichen Slang erschienen ist) nicht hinnehmbar. Aber seit wann stürzt ihr euch auf eine durch einen englischen Journalisten ins Leben gerufene Story wie die Geier auf das Aas, ohne journalistisch und loyal weiter zu recherchieren? Einen etablierten Reggaekünstler, der eines der besten Konzerte, welches Hamm je gesehen hat, auf einen einzigen Song seines weit über 100 Lieder reichenden Schaffens zu reduzieren, empfinde ich als peinlich, zumal alle anderen Songtexte eher sozialkritisch sind.
Anscheinend hat die Lesben- und Schwulenszene zurzeit ein mediales Sommerloch und zieht darum alle Register, um über diese Geschichte im Gespräch zu bleiben. Um eines klarzustellen, ich habe nichts gegen Lesben und Schwule, Jürgen Zeltinger gehört zu meinen absoluten Lieblingsinterpreten, doch diese Story läuft etwas aus dem Ruder. […] FRANK ROLF, Hamm