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Archiv-Artikel

Waidwunde Genossenseele

In der Bremer SPD grummelt es vernehmlich: Der rasante Mitgliederschwund hält an, die Parteistrukturen harren der weiteren Modernisierung – und mit der Reformpolitik der rot-grünen Bundesregierung ist man auch nicht einverstanden

Von jox
„Ich vermisse den roten Faden der sozialen Gerechtigkeit“

Bremen taz ■ Zumindest im Bremer Unterbezirk (UB) Stadt scheint die Welt der Sozialdemokratie noch in Ordnung zu sein. Wer dessen Homepage besucht, bekommt wundersam Schönes zu lesen: „Ihre Suche hat ein Ende. Sie finden Erneuerung, Verantwortung und Zusammenhalt – Argumente statt Populismus, Fakten statt Meinungsmache“. Horcht man jedoch ein wenig in die Partei hinein, klingt die Melodie schon weniger harmonisch.

„Wir stehen dem Kurs der Bundesregierung sehr kritisch gegenüber“, sagt etwa Joachim Schuster, Mitglied der Bremischen Bürgerschaft und Bremer Vertreter in der Antragskommission, die den SPD-Bundesparteitag im November vorbereitet. Schuster wird auch an einem Vorbereitungstreffen der Parteilinken am kommenden Samstag in Berlin teilnehmen, die möglicherweise einen eigenen Leitantrag formulieren werden. Es sei ein Problem „zu sagen, wir verlieren zwar jede Wahl, aber unser Kurs ist richtig“, sagt Schuster und kritisiert damit kaum verschlüsselt die Parteispitze um Schröder und Generalsekretär Olaf Scholz. Seine Partei müsse wieder mehr Gewicht auf das Prinzip Gerechtigkeit legen, fordert Schuster. Derzeit denke die Regierung bei ihren Reformprojekten einfach zu wenig an die eigene Klientel.

„Der Partei gelingt es kommunikativ im Moment sehr schlecht, das, was auf Bundes- und Landesebene gemacht wird, den Leuten zu vermitteln“, sagt auch SPD-Landesgeschäftsführer Roland Pahl. Der dramatische Mitgliederschwund der SPD halte – trotz des guten Bürgerschaftswahlergebnisses – auch in der Hansestadt an: Schmückten sich 1996 noch 9.000 Bremer mit dem roten Parteibüchlein, sind es aktuell nur mehr 6.250. Aktuell belaufe sich der „Minussaldo“ für dieses Jahr auf 320.

Die SPD müsse sich überlegen, welche Konsequenzen die negative Mitgliederentwicklung für die Organisationsstrukturen der Partei haben könnte. „Wir werden weniger und älter, und wir verfügen über weniger Geld“, sagt Pahl, „das verlangt eine anders arbeitende Partei“. Die Zahl der Ortsvereine müsse dabei ebenso kritisch beleuchtet werden wie die Arbeitsgemeinschaften und Foren der Bremer SPD.

Auch wenn man die Zahl der Ortsvereine im UB Stadt bereits auf 35 zusammengekürzt und die Parteistrukturen verschlankt habe, „müssen wir an diesem Thema weiterarbeiten“, sagt der Vorsitzende des UB, Wolfgang Grotheer. Auch ihm bereitet die Politik der Bundesregierung Bauchweh: Bei aller Notwendigkeit für Reformen der sozialen Sicherungssysteme vermisse er derzeit „den roten Faden der sozialen Gerechtigkeit“. Die Partei müsse aufpassen, dass sie „nicht die Falschen zur Kasse bittet“. jox