: SPD in NRW blickt durch rosarote Brille
Die Wut auf die Regierung entlädt sich in Ostdeutschland bei den Montagsdemonstrationen. Wie groß der Unmut im Westen ist, wird die Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen zeigen – Ausreden hat sich die SPD bereits zurecht gelegt
AUS KÖLN PASCAL BEUCKER
Die Düsseldorfer SPD hat sich ihren Start in die heiße Wahlkampfphase sicherlich anders vorgestellt. Die Genossen werden mit einer falschen Reserveliste zur Kommunalwahl am 26. September antreten. Denn die Sozialdemokraten reichten versehentlich eine veraltete Vorschlagsliste ein, die vom SPD-Parteitag später geändert wurde. Dadurch könnte die Wahl nun angefochten werden. Das sei schon eine „Verkettung von Pleiten, Pech und Pannen“, versuchte Unterbezirksgeschäftsführer Jörg Lorenz das Missgeschick zu erklären.
Ein gefundenes Fressen für die politische Konkurrenz: „Wer nicht mal die Namen in die richtige Reihenfolge bringen kann, der kann auch keine Großstadt führen“, ätzten umgehend die Christdemokraten. Die Genossen an Rhein und Ruhr haben ohnehin genügend Probleme:Die anstehenden nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen werden zum ersten großen Stimmungstest, wie die Bürger im bevölkerungsreichsten Bundesland auf die Hartz-Diskussionen reagieren. Und auch wenn sich im Westen der Republik bisher anders als im Osten nicht massenhaft der Unmut auf der Straße Luft macht, spricht doch alles dafür, dass die SPD mit einer derben Quittung für ihre Reformpolitik rechnen muss.
Die sozialdemokratische Parteistrategen sind jedoch angesichts der Umfragewerte bescheiden geworden und deuten intern die Aussichten für ihre Partei nicht so düster, wie sie auf den ersten Blick scheinen. An ein wirklich gutes Abschneiden glauben zwar auch sie nicht. Doch haben sie bereits eine Idee, wie sich das Wahlergebnis positiv darstellen lassen könnte.
Zugute kommt der Partei dabei, dass sie schon beim vergangenen kommunalen Urnengang 1999 mit landesweit noch gerade mal 33,9 Prozent der Stimmen eine Erdrutschniederlage einfuhr und bei der Europawahl dieses Jahr sogar auf 25,7 Prozent abstürzte – ihr schlechtestes Ergebnis in der Landesgeschichte.
Falls sich das Ergebnis am 26. September in der Nähe des Resultats von 1999 bewege und vielleicht sogar der eine oder andere Oberbürgermeistersessel zurückgewonnen werden kann, könne doch bereits „hervorragend“ von einer „Trendumkehr“ gesprochen werden, zeigt ein hochrangiger SPD-Landespolitiker die Linie auf. Nach einer Umfrage von Infratest dimap aus der vergangenen Woche liegt die SPD zur Zeit tatsächlich landesweit bei 32 Prozent, also fast bei dem Ergebnis von vor fünf Jahren.
Bei ihren Überlegungen, wie sie mit Blick auf die Landtagswahl ein schwaches als gutes Ergebnis verkaufen können, baut die SPD zudem darauf, dass auch die CDU viel zu verlieren hat. Denn um einen klaren Sieg und damit ein Aufbruchsignal für Mai 2005 zu erreichen, muss sie ihr Ergebnis von 1999 noch toppen oder zumindest halten.
Aktuell liegen die Christdemokraten bei 42 Prozent. Das ist zwar im einstigen roten Stammland eigentlich immer noch exorbitant viel. Aber es sind eben auch fünf Prozent weniger als noch im Juni – und vor allem weit weniger als jene unglaublichen 50,3 Prozent, die die CDU 1999 landesweit bei ihrem Wahlerfolg erzielte, als sie zahlreiche bis dahin als uneinnehmbar geltende rote Rathäuser stürmte.
Tatsächlich werden wohl die beiden großen Parteien bei den anstehenden Kommunalwahlen verlieren. Neben der bundesweiten Stimmungslage ist ein Grund, dass sich der Wegfall der Fünfprozenthürde erstmals auf breiter Ebene auf den Wahlzetteln widerspiegeln wird: Überall sind bürgerliche und linke Protestlisten aus dem Boden gesprossen. NRW-SPD-Generalsekretär Michael Groschek befürchtet, dass die heftige Debatte um die Sozialreformen den Wählervereinigungen einigen Zulauf verschaffen wird: „Das ist ein großes Ärgernis für uns, weil uns Stimmen abgegraben werden.“