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Archiv-Artikel

Gas tanken – Gas geben

Erdgas kann im Brennraum hoch verdichtet werden, verbrennt ruhiger und mit weniger Rückständen als Benzin oder Diesel. Dennoch sind bei uns derzeit kaum 15.000 Erdgas-Fahrzeuge unterwegs

Die Alternativen zu den Benzin- und Dieselfahrzeugen der Gegenwart sind so vielfältig wie umstritten. Zu aufwändig, zu teuer oder gar beides – vieles von dem, was Autohersteller, Tüftler oder Umweltverbände zu Testzwecken auf die Straße schicken, wird in den nächsten Jahren kaum Chancen auf weite Verbreitung bekommen.

Auf der Jagd nach dem perfekten Ersatz für Benzin- oder Dieselkraftstoffe wird oft vergessen, dass bereits der Einsatz eines anderen fossilen Brennstoffs den Schadstoffausstoß und die Lärmentwicklung herkömmlicher Fahrzeuge entscheidend reduzieren könnte: Erdgas. Ein Geheimnis verrät man damit nicht. In Millionen von Haushalten sorgt es seit vielen Jahren für warme Heizkörper und ist in diesem Bereich der wichtigste Energieträger.

Auch die Idee, Fahrzeuge mit Erdgas zu betreiben, ist alles andere als neu. Benzinmangel rückte die so genannten „Gas-Fahrzeuge“ schon nach dem Zweiten Weltkrieg in den Vordergrund. Gegen die einfacher zu handhabenden Diesel- und Benzinkraftstoffe konnte sich Gas in Deutschland jedoch nicht durchsetzen. Dabei spricht aus Sicht von Umwelt- und Fahrzeugexperten vieles für den alternativen Antrieb.

Sowohl der Vergleich Diesel/Erdgas als auch die Gegenüberstellung von Benzin und Erdgas endet zugunsten des Gases. In den Abgasen eines Erdgas-Fahrzeuges finden sich wesentlich weniger Stickstoffoxide (NOx), reaktive Kohlenwasserstoffe (HC) und Kohlenmonoxid (CO) als bei herkömmlich betriebenen Fahrzeugen. Leistungseinbußen müssen Erdgas-Fahrer dabei nicht befürchten. Im Gegenteil.

Erdgas ist durch seine verbrennungstechnischen Eigenschaften ein beinahe idealer Kraftstoff. Es kann im Brennraum sehr hoch verdichtet werden, verbrennt dadurch ruhiger und mit weniger Rückständen als Benzin- oder Dieselkraftstoffe. Die „Research Oktan Zahl“ (ROZ) beschreibt die „Klopffestigkeit“ – und damit die Verdichtbarkeit eines Kraftstoffs im Verbrennungsmotor. Bleifreies Super-Benzin kommt derzeit auf eine ROZ-Zahl von 95 bis 97. Erdgas schafft einen Wert von 130. Hinzu kommt, dass Erdgas einen wesentlich kürzeren Weg zum Verbraucher zurücklegen muss. Das derzeit angebotene Gas stammt aus Vorkommen in der Nordsee, aus Russland – oder sogar aus Niedersachsen.

Dennoch sind in Deutschland derzeit nicht mehr als 15.000 Erdgas-Fahrzeuge unterwegs. Schuld daran ist unter anderem die Urangst der Menschen vor Gas. Eine Angst, die TÜV-Experte Christian Görcke entkräften kann: „Das Erdgas wird in Stahlbehältern gelagert, die von sich aus schon sehr sicher sind. Zusätzlich haben wir Ventile eingebaut, die sowohl im Brandfall wie auch im Fall, dass Erdgas plötzlich entweichen sollte, ganz einfach die Flasche abschließen.“ Selbst wenn Erdgas dann nach außen dringen sollte – aus welchem Grund auch immer –, sei der Stoff „sehr leicht flüchtig und würde sich einfach in der Atmosphäre auflösen und verschwinden“.

Grundsätzlich kann Erdgas in allen Benzinmotoren eingesetzt werden. Ohne weitere Änderungen verlieren die Motoren ungefähr zehn Prozent ihrer Leistung. Reine Erdgas-Motoren bringen dagegen mehr Leistung, da sie das Gas höher verdichten können.

Der Umstieg auf Erdgas kennt viele Wege. Die Umrüstung ist einer davon. Je nach Budget wird in diesem Fall der Gastank im Kofferraum untergebracht oder aufwändig in den Fahrzeugboden eingelassen. Derartige Umrüstungen sind kaum unter 7.000 Euro zu bekommen. Die Alternative sind Fahrzeuge, die serienmäßig mit Gastanks ausgerüstet sind. Sie werden inzwischen von allen großen europäischen Herstellern angeboten. Dabei muss man sich lediglich entscheiden, ob das neue Familienauto ausschließlich mit Gas betrieben werden soll (monovalent) oder neben dem Gas- auch noch einen Benzintank (bivalent) mit an Bord haben soll. 1.500 bis 2.000 Euro mehr muss man für so ein Erdgas/Benzin-Fahrzeug einplanen.

Vorteil der bivalenten Fahrzeuge: die Reichweite. Je nach Fahrzeug kommt man mit der Gas/Benzin-Kombination bis zu 700 Kilometer. Außerdem muss man sich so weniger nach den spärlich verteilten Erdgas-Tankstellen richten. Bundesweit sind es zurzeit kaum mehr als 300. Dabei soll es nicht bleiben. Bundesregierung, Fahrzeughersteller und Erdgasversorger haben sich ehrgeizige Ziele gesetzt. „Bis Ende 2003 soll die Zahl der verfügbaren Standorte auf 600 steigen“, erklärt Bernhard Jenken vom Ferngaslieferanten-Bündnis „Erdgas mobil“. Bis 2006 sollen dann 1.000 zusätzliche Erdgas-Tankanlagen eingerichtet werden.

Hinzu kommen Zuschüsse für Erdgas-Kunden und Steuervorteile. „Mit der Steuerbegünstigung des Energieträgers Erdgas haben wir dafür gesorgt, dass für den Autofahrer das Tanken zum halben Preis im Vergleich zu Benzin möglich ist“, weiß Reinhard Kaiser vom Bundesumweltministerium. Vorteile, die bis zum Jahr 2020 rund 4,5 Millionen Autofahrern den Wechsel zu Erdgasfahrzeugen erleichtern sollen.

Die heute bekannten Erdgasreserven reichen noch geschätzte 160 Jahre. Genug Zeit also, um den endgültigen Abschied von fossilen Brennstoffen sorgfältig vorzubereiten. MARIA LESHER

Info: www.gibgas.de; www.erdgasfahrzeug.de; www.fairenergie.de; www.bundesumweltministerium.de