: Knackis hoffen auf Justizminister
Ein seit zwei Jahren laufendes Integrationsprogramm für Häftlinge in der Ausbildung soll im Dezember auslaufen. Die EU-Förderung für das Modellprojekt wird zum Jahresende eingestellt
AUS BIELEFELDUWE POLLMANN
Jeden Morgen um halb sieben Uhrwird Michael von einem Gefängnisbeamten zur Arbeit abgeholt. Vor anderthalb Jahren kam er mit einer zweijährigen Strafe in die Jugendhaftanstalt Herford. Nach einigen Wochen machte ihm die Leitung das Angebot, eine Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker zu beginnen. „Da hab ich gedacht, anstatt die Zeit einfach abzusitzen, fange ich lieber eine Ausbildung an“, sagt der 24-Jährige. „Kann ich draußen dann zu Ende machen.“
Doch Michaels Arbeit ist in Gefahr: Er nimmt an „mabis.net“ teil, einem speziellen Integrationsprogramm für Häftlinge. Doch mabis.net läuft Ende des Jahres aus und eine Weiterfinanzierung ist noch nicht in Sicht. Das Programm wurde Anfang 2003 als zweijähriges Modellprojekt vom Landesjustizministerium zusammen mit Berufsbildungswerken, dem DGB und Arbeitsagenturen gegründet. Die Europäische Union zahlte die Hälfte des Etats von 4,4 Millionen Euro für die Zweigstellen in landesweit elf Gefängnissen. Über 3.000 Gefangene wurden seither dort betreut.
In der JVA Herford werden 150 von 350 jungen Gefangenen als Tischler, Mechaniker, Heizungsbauer oder Elektroinstallateure ausgebildet. Und das mit Erfolg, sagt JVA-Berufsausbilder Dieter Höke: „Wir liegen im Kammerdurchschnitt im oberen Drittel.“ Auch Landessieger hatte man in den vergangenen Jahren zu verzeichnen. Die jungen Leute seien motiviert, hätten ja sonst nichts zu tun und würden oft länger als nötig in den Werkstätten bleiben. Einige Gefangene besorgen sich bereits aus der Werkstatt heraus einen Arbeitsplatz in Freiheit.
„Wir helfen ganz unbürokratisch“, sagt Veronika Kurpierz, die mit zwei weiteren Mitarbeiterinnen rund 240 Strafentlassene aus der JVA Herford betreut hat. „Durch uns können die Klienten leichter mit Arbeitsberatern sprechen, können leichter Arbeitgeber anrufen. Wir betreuen sie manchmal auch bei persönlichen, familiären Problemen, die einer Arbeitsmarktintegration im Wege stehen.“
Auf diese Weise hätten sie über ein Drittel der Leute in Arbeit oder Ausbildung vermittelt. Damit mache man Steuerfresser zu Steuerzahlern, ergänzen die Herforder Vermittler von „mabis.net“, und senke bei den Vermittelten die Rückfallquote in die Kriminalität von 90 auf 30 Prozent. Für Friedhelm Sanker, stellvertretender Leiter der JVA Herford, ist das eine unschätzbare Stütze angesichts der steigenden Rückfälle.
Jährlich werden rund 16.000 bis 18.000 Gefangene in Nordrhein-Westfalen entlassen. Viele hätten nach Angaben der Mitarbeiter von „mabis.net“ vor der Inhaftierung keine berufliche Ausbildung und oft nicht mal einen Schulabschluss gehabt. Das werde im den Haftanstalten vielfach nachgeholt, helfe aber kaum, wenn es keine intensive Vermittlung gebe. Veronika Kurpierz fordert deshalb unbedingt eine Weiterfinanzierung der Integrationsprogramme.
Doch das Land will nun erst einmal die Wirkung der Programme überprüfen, sagt Wolfgang Wirth, beim Düsseldorfer Justizministerium zuständig für “mabis.net“. Das könne ein halbes Jahr dauern, dann werde man weitersehen. Auch Wirth sieht das Problem, dass damit eine erfolgreiche Arbeit zunächst beendet wird und empfiehlt den „mabis.net“-Mitarbeitern vor Ort: „Wenn es weiter laufen soll, müssen die Mittel verstärkt aus den Regionen und von den Arbeitsagenturen kommen.“
Einige haben dazu schon ihre Bereitschaft erklärt. Die Herforder Arbeitsagentur will keine unnötigen Unterbrechungen der Integrationshilfen. “Das ist doch für die Gesellschaft ein ausgesprochener Gewinn“, sagt Agenturleiter Klaus Meister und fordert das Land auf, finanziell mit einzusteigen, wenn jetzt die EU-Hilfen versiegen.
Aufgeschreckt von der Problematik will auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Jürgen Jentsch, jetzt beim Justizminister vorstellig werden: „Ich will, dass das weitergeführt wird.“ Das hofft auch Michael, der in einem halben Jahr die JVA in Herford verlässt. Dann braucht er draußen eine Firma, um seine Lehre weiterzuführen. Und die lässt sich weitaus leichter mit Hilfe des Integrationsprogramms finden.