: „Das MoMA kann man nicht einfach kopieren“
Adrienne Goehler, Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds, hält die „Best of Berlin“-Idee für einen Verlust musealer und ästhetischer Erfahrung: Zum Bildergucken brauche es Zeit, Kunstevents wie das MoMA seien singuläre Erscheinungen
taz: Frau Goehler, nach dem Erfolg der MoMA-Ausstellung wird über die Idee von Bundespräsident Horst Köhler diskutiert, unter dem Titel „Best of Berlin“ etwas Ähnliches auf die Beine zu stellen. Ist das überhaupt realistisch?
Adrienne Goehler: Ich glaube, das ist ein grandioses Missverständnis. Einerseits ist es positiv, dass auch der Bundespräsident anfängt, über Kultur nachzudenken. Aber ich halte es andererseits für eine katastrophale Entwicklung, per Event oder Instantlösung die komplexe und komplizierte Museumslandschaft, die Berlin zu bieten hat, zusammenfassen zu wollen.
Auch wenn diese Events so großen Erfolg haben?
Ich denke nicht, dass man das beliebig weiterführen kann. Das MoMA-Event ist an die Aura New Yorks geknüpft, das kann man nicht einfach kopieren. Außerdem ziehen viele Berliner Museen – wie etwa das Pergamonmuseum – eine konstant hohe Zahl von Besuchern an. Ein bloßes „Best of“ wäre darum verheerend. Wir würden alles auf das schnell Konsumierbare reduzieren. Man kann sich nicht sämtliche Meisterwerke in zweieinhalb Stunden ansehen. Für Kunst braucht es Zeit. Man muss eindringen können, sich verstören und irritieren lassen. Dieser Wunsch dagegen, Erfolgsrezepte zu kopieren, sollte in der Kunst immer mit einem Fragezeichen versehen werden.
Ist das nicht ein sehr konservativer und auch sehr deutscher Museumsbegriff? Die Erhabenheit der Kunst und wir empfindsam davor! In angelsächsischen Ländern wird Kunst ganz anders „verkauft“.
Das ist eben der Unterschied zwischen einem Kunstkalender und einem Kunstwerk. Um das Wesen von Kunst zu erfassen und zu erfahren, was Kunst uns auf Dauer gibt, braucht man Zeit, um noch etwas entdecken zu können, womit man nicht gerechnet hat.
Der Regierende Bürgermeister Wowereit oder der Präsident der Akademie der Künste finden, dass es auch flotter geht. Oder?
Klar, der Readers Digest liest sich auch schneller als ein Roman. Es scheint mir, dass der ehemalige Haushälter Wowereit jetzt Kunst ins Kolossale wenden will. Das hat offenbar zudem mit dem Wunsch zu tun, dass wir „the rich and the mightys“ hier in Berlin zeigen.
Hat der Erfolg der MoMA-Ausstellung nicht dennoch die Frage aufgeworfen, ob die Museumsmacher über einen Ort für moderne Kunst neu nachdenken müssen?
Es zeugt nicht gerade von großem Geschick der Verantwortlichen der Neuen Nationalgalerie, dass sie kein System gefunden haben, die Schlangen auch in die Gemäldegalerie nebenan am Kulturforum zu lenken. Warum ventiliert man in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nicht den klugen Gedanken: Warum konzentrieren wir die zeitgenössischen Sammlungen und Ausstellungen nicht am Kulturforum und holen die großen Schätze der Alten Meister in den Martin-Gropius-Bau? Wer sich für zeitgenössische Kunst interessiert, der findet auch den Weg zum Kulturforum. Das Gute am MoMA ist sicherlich, das jetzt eine andere Dringlichkeit besteht, sich mit dieser Frage auseinander zu setzen. Und natürlich wird es in Berlin wie immer darum gehen, ob man die Investorenträume bedient, die ja manchmal auch eher Schäume sind, oder ob man einen besonderen Ort schafft.
Es gibt ja die Planung, mit der „Archäologischen Promenade“ auf der Museumsinsel etwas Ähnliches wie „Best of“ zu machen. Ist das Ihrer Meinung nach ein kuratorisches Konzept, das scheitert?
Nein, das glaube ich nicht. Das hat dort eine innere Logik und geschieht an einem historisch gewachsenen Ort. Ich finde es auch nach wie vor sinnvoll, über einen Ort für die außereuropäischen Sammlungen auf dem Schlossplatz nachzudenken. So bekäme man eine räumliche Konzentration, die einen großen Blick auf große Epochen bietet und nicht nur ein Konzentrat liefert. INTERVIEW: ROLA