: Parkpicknicker contra Museumsgärtner
Berliner und Potsdamer kämpfen um ihre Liegewiesen. Sie möchten die Schlossgärten auch weiterhin als Rastplatz nutzen. Die Schlösserverwaltung aber will die Parks nach historischem Vorbild herrichten – und Eintritt erheben
BERLIN taz ■ Die Picknicker sind pure Provokation. Unbeeindruckt von den „Betreten verboten“-Schildern besetzen sie die ungemähte Wiese im Berliner Schlosspark Charlottenburg und plätten das Gras. Zwei Parkwächter schleichen um die Gruppe herum, greifen aber nicht ein.
Jeden Sonntag lädt die Bürgerinitiative „Rettet den Schlosspark“ zum Picknick, Plaudern und Musizieren auf der Liegewiese ein. „Wir wollen keinen Museumsgarten, sondern einen Volkspark“, fordert Klaus Betz im Namen der Kiezbewohner. Diese sammelten 13.000 Unterschriften, die morgen den Berliner Abgeordneten übergeben werden.
Für die Anwohner ist der Park Liegewiese, Grillplatz und Ballspielarena. Andere wollen ihn als Landschaftsdenkmal besichtigen und darin flanieren. Dafür würden sie sogar Eintritt bezahlen, glaubt Hartmuth Dorgerloh. Als Leiter der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten gehe es ihm um die Erhaltung des historischen Erbes. Und so klagt Dorgerloh über die Ignoranz der Anwohner: „ Wenn man durch seinen Garten spaziert, will man doch auch nicht über zertretenes Gras laufen.“
Seit Jahresbeginn streitet sich die Stiftung mit den Anwohnern. Denn zu deren Verdruss lässt die Stiftung ihr Naherholungsgebiet als schön anzusehendes Geschichtsmuseum zurechtstutzen. Arbeiter roden Bäume, damit die ursprünglichen Sichtachsen frei werden. Das Gras wird nicht mehr gemäht. Die angebliche Liegewiese der Kiezbewohner sei nämlich eine Lenné’sche Langgraswiese mit wertvollen Pflanzen, sagt Dorgerloh. Die Parkwächter des Charlottenburger Schlosses sind angehalten, Mensch und Hund der Wiesen zu verweisen.
Der deutsche Landschaftsgestalter Peter Josef Lenné gestaltete den Park im 19. Jahrhundert als Ensemble. Die heutigen Umbaupläne wären nicht in seinem Sinne, behaupten die Mitglieder des Berliner Bürgerbündnisses. „Lenné forderte Öffnung der Gärten zu Erholungszwecken“, beschwert sich der Bürgerbewegte Klaus Betz über diesen „übertriebenen Historizismus“. Der Park sei nun einmal das einzige Grün im weiten Umkreis.
Auch kurz hinter der Berliner Stadtgrenze ist ein Kampf um eine Grünfläche Lenné’scher Prägung entbrannt. Dem Schlosspark Sanssouci in Potsdam haben Besucher und Anwohner ebenfalls einige Liegewiesen abgetrotzt. „Es ist eben schöner, im Gras zu sitzen, als immer nur auf einer Bank“, sagt die Studentin Jana Bialluch. Sie engagiert sich für einen Volkspark Sanssouci. „Ein Park ist schließlich auch ein Stück Lebensraum.“ Doch der Stiftung gilt Sanssouci in erster Linie als museale Gartenkunst.
150 Parks und Gärten verwaltet die Stiftung „Preußische Schlösser und Gärten“ in Berlin und Brandenburg. Probleme gäbe es nur in den dicht besiedelten Gebieten, meint Dorgerloh. „Vandalismus, Müll und Hundehaufen“, zählt er auf. Um die Schäden zu kompensieren, erwägt die Stiftung, ab dem nächsten Jahr Eintrittsgebühren von zwei bis vier Euro zu erheben. Die Schlösser der Stiftung wurden im vergangen Jahr von 2,1 Millionen zahlenden Besuchern besichtigt. Mehr als doppelt so viel spazierten nach Schätzungen der Stiftung kostenlos durch die Parks.
Die Pläne entfachen Empörung. „Das ist Privatisierung öffentlichen Raums“, poltert Betz. In Potsdam haben etwa 150 Menschen vor dem Haupteingang des Schlosses demonstriert.
Bei der Verteidigung demokratischer Werte können sich die Aktivisten kurioserweise auf die Monarchie berufen. Denn es waren aufgeklärte Könige, wie Wilhelm IV., die dem Volk im 18. und 19. Jahrhundert ihre Gärten generös aufgeschlossen hatten.
Auch andere Schlösserverwaltungen hatten Eintrittspläne erst vorgelegt und dann wieder fallen gelassen. „Der Gedanke ist nachvollziehbar und nahe liegend“, sagt der Vizepräsident der bayerischen Schlösserverwaltung, Michael Grill. „Wir geben pro Jahr über achtzig Millionen Euro aus und nehmen nur halb so viel ein.“ Auch in Sachsen plante die Landesregierung, Eintritte für den gut und gern besuchten Pillnitzer Schlosspark zu erheben. Doch bisher ist der baden-württembergische Schlosspark Schwätzingen der einzige Park, für dessen Besuch gezahlt werden muss. „Die Könige haben die Gärten dem Volk zur freien Benutzung gewidmet“, erklärt Grill. Einer demokratischen Regierung stehe es nicht an, dies rückgängig zu machen.
ANNA LEHMANN