: Sehr direkte Demokratie vor Ort
PDS: Bürgerentscheide mit extrem niedrigen Quoten sollen Bezirkspolitik beeinflussen. Partizipation auch am Haushalt soll die Bezirke gegen weitere Zentralisierung schützen
Die PDS will die Bezirke im Geiste von Porto Alegre reformieren. Der Name der brasilianischen Stadt steht für direkte Beteiligung der Bürger an kommunalen Entscheidungen, seit dort neue Modelle der Beteiligung angewandt werden. Eine Arbeitsgruppe der PDS hat nun ein an diesen Ideen orientiertes Reformprojekt vorgelegt: „Der Bezirk als Bürgerkommune“: Auf lokaler Ebene soll die direkte Demokratie gestärkt werden.
Der Abgeordneter Peter-Rudolf Zotl stellte die Pläne gestern vor. Danach soll ein „bezirklichen Bürgerentscheid“, den die Berliner Verfassung bisher nicht kennt, in zweistufiger Form eingeführt werden. Bemerkenswert sind die niedrigen Quoten, die vorgeschlagen werden. Schon ein Prozent der Wahlberechtigten soll demnach ausreichen, um einen Bürgerentscheid zu initiieren. Nur drei Prozent der Wahlberechtigten müssen diesem dann per Unterschrift auf einer in Ämtern ausliegenden Liste zustimmen, um dem Anliegen die Rechtstauglichkeit eines BVV-Beschlusses zu geben. Wird mehr als 25 Prozent Zustimmung erreicht, soll der Bürgerentscheid gar für mehrere Jahre bindend sein. Themen für bezirkliche Bürgerentscheide könnten die Einrichtung von Fahrradwegen oder der Schulentwicklungsplan sein.
Auch das populärste Instrument, das in Porto Alegre angewandt wird, soll nach den Vorstellungen der Sozialisten in die Bezirke importiert werden: die auch als „Bürgerhaushalt“ bekannte „partizipative Haushaltsaufstellung“. Hierbei entscheiden nicht die gewählten Abgeordneten, sondern Bürger, die sich in Arbeitsgruppen zusammenfinden, über die Vergabe öffentlicher Gelder. Der Löwenanteil der bezirklichen Budgets ist allerdings durch Bundesrecht gebunden. Den ersten Versuch mit Bürgerhaushalten möchte die PDS 2006 in Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf durchführen. Hier stellt die PDS auch die Bezirksbürgermeister.
Weiter wird eine „generelle Aufhebung von Verordnungen“ vorgeschlagen. Zum 1. Januar 2005 sollen alle gültigen Verwaltungsvorschriften aufgehoben und nur „zwingend notwendige“ Vorschriften wieder in Kraft gesetzt werden. Dies sollen nicht mehr als 50 Prozent sein.
Damit will die PDS die Bezirke zum Raum für „gesellschaftliche Selbstverwaltung und Selbstorganisation“ machen. Sonst werde es „sehr schwer, die Bezirke gegen Zentralisierung zu verteidigen“. Das Vorhandensein von Bezirken „als solchen“ garantiere noch keine Bürgernähe. Auch in der PDS habe man festgestellt, dass die in der Reform von 2001 verschwundenen Bezirke „von niemandem vermisst werden“.
Die PDS hofft auf eine breite Mehrheit für ihre Vorschläge und verweist auf entsprechende Absichtserklärungen im rot-roten Koalitonsvertrag. Die SPD-Fraktion hat noch nicht über die Vorschläge beraten. Der SPD-Abgeordnete Bernd Schimmler aus dem Arbeitskreis Verwaltungsreform erklärte, besonders über die Bürgerhaushalte bestehe keine Einigkeit: „Wir müssen aufpassen, dass sich hier nicht jede Lobbygruppe ihre Zuwendungen sichert.“ ROBIN ALEXANDER