: „Man spürt einen Klimawandel“
Die Schröder-Äußerungen zum Nordstaat haben langfristig Bedeutung, sagt Volker Kröning, SPD-Finanzexperte: Bremen sei auf Verbündete angewiesen, eine Verfassungs-Klage wäre „hoch riskant“
Bremen taz ■ Der ehemalige Bremer Finanzsenator und heutige Bundestagsabgeordnete Volker Kröning ist SPD-Obmann in der Föderalismuskommission. Heute wird Henning Scherf (SPD) in der Bürgerschaft eine Regierungserklärung zur Arbeit dieser Kommission abgeben. Wir fragten Kröning nach dem Stand der Berliner Verhandlungen.
taz: Der Kanzler hat bei einem Besuch der Superillu daran erinnert, dass er schon als niedersächsischer Ministerpräsident für den Nordstaat gewesen sei. Er gehe davon aus, dass in der Föderalismuskommission auch solche Fragen besprochen werden. Hat diese Äußerung des Kanzlers eine Bedeutung? Volker Kröning, MdB: Aktuell keine. Die Bundesregierung ist durch vier Vertreter Mitglied der Kommission, aber nicht stimmberechtigt. Die Entscheidungen fallen zwischen den 16 Vertretern des Bundestages und den 16 Vertretern des Bundesrates. Die Themen Länderneugliederung und bundesstaatlicher Finanzausgleich sind bei der Einsetzung ausdrücklich ausgeklammert worden.
Hat die Schröder-Äußerung langfristig ein Gewicht? Man spürt einen Klimawandel. Der ist wahrscheinlich dadurch verursacht, dass nach Bremen und dem Saarland, die ihre Haushaltsnotlage noch nicht bewältigt haben, ein drittes Land, Berlin, hinzukommt, möglicherweise noch weitere Länder.
Es gibt große Debatten über die Neuordnung des föderalen Systems – kommt bei der Arbeit der Kommission viel heraus? Nach meiner Prognose wird es einen großen Rückzug des Bundesrates von der Bundesgesetzgebung geben und eine deutliche Stärkung der Gestaltungsspielräume der Landesgesetzgeber. Die umstrittensten Felder sind die Kompetenzbereiche für Bildung, also Schulen und Hochschulen, für die die Länder die volle Verantwortung übernehmen möchten, und der Umweltschutz. Hier wollen alle Fraktionen ein nationales Umweltgesetzbuch ermöglichen.
Die Verlagerung von Zuständigkeiten auf die Länder könnte für Bremen teuer werden. Die kleinen Länder können sich zu Ländergruppen zusammentun.
Bremen hat bisher immer mit Erfolg versucht, Bundesmittel zu akquirieren. Wird diese Möglichkeit geringer?Im Gegenteil. Der Bund hat angeboten, die „Mischfinanzierungs-Tatbestände“ in modernisierter Form weiterzuführen. Daran muss Bremen, gerade auch was die Anschlussperspektive zum Sanierungsprogramm angeht, elementar interessiert sein.
Das bedeutet: Unter dem Strich ist das, was die Kommission ausbrütet, gut für Bremen? In jedem Falle kann Bremen nicht verlieren, sondern nur gewinnen.
Wird in Berlin nach Schröders Äußerung über den Nordstaat noch über die Einlösung des Kanzlerbriefes geredet?Das berührt sich überhaupt nicht; es wird verhandelt. Doch wenn es darum geht, auf lange Sicht eine gute Situation zu nutzen, um den Finanzrahmen der bremischen Selbstständigkeit zu verbessern, dann muss man solche Zwischenrufe in Rechnung stellen. Sie kommen ja leider Gottes von allen Seiten, denken Sie an den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, an die Äußerungen von Krista Sager von den Grünen aus Hamburg oder von Wolfgang Bosbach aus der CDU Nordrhein-Westfalen.
Der bremische Haushaltsplan 2005 sieht auf Grundlage des Kanzlerbriefes Einnahmen von 500 Millionen Euro vor.Die Haushaltsberatungen des Bundes beginnen in dieser Woche und sind Ende November abgeschlossen. Es ist von Bremen kein Antrag gestellt worden.
Könnte Bremen wenigstens von zusätzlichen Investitionshilfen profitieren, damit die Neuverschuldung 2005 nicht eine Milliarde übersteigt?Die Höhe des Bundeshaushaltes steht fest, die Bundesregierung hat den Haushaltsentwurf dem Parlament übergeben. Haushaltspolitisch gesprochen sind nur Umschichtungen im Bundeshaushalt denkbar.
Hätte nach den Äußerungen des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes zur Länderneugliederung eine mögliche bremische Verfassungsklage noch irgend eine Chance?Die bremische Klage ist hoch riskant sowohl was das Gericht wie auch was die Verfahrensbeteiligten angeht. Als Hauptgefahr sehe ich allerdings, dass man sich in der Politik zurücklehnt und auf ein länger andauerndes Verfahren verlässt. Es muss alles daran gesetzt werden, gute neue Argumente für eine Stadtstaatensicherung anzubieten und die dafür erforderlichen Verbündeten zu gewinnen.
Interview: Klaus Wolschner