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Archiv-Artikel

So viel Häme tat schon gut

Vieles verstehe ich nicht – auch die Jubiläumsausgabe gehört dazu. Was treibt euch, ein Interview mit Kohl abzudrucken – geführt von der Bild? Was treibt euch, eurem „Feind“ eure gesamte Infrastruktur zu überlassen – bis hin zum Intranet? Aber gut. Immerhin war der Einblick ins Intranet der wirklich interessanteste Teil dieser Ausgabe.

Gut fand ich demgegenüber, in der Jubiläumsausgabe zu lesen, was eurem „Feind“ wichtig ist. Und hier gefiel mir am besten der Artikel des Chefredakteurs der FAZ. Das Einzige, was ihn zu interessieren scheint, sind eure Marketingstrategien. Er müsste doch ein heller Kopf sein, der politisch was zu sagen haben könnte. Aber er stürzt sich auf eure Abo-Kampagne. Ist er neidisch, weil ihr die besseren Ideen habt, oder ist er neidisch, weil er auch gerne eine solche solidarische Leserschaft hätte?

Insgesamt scheint diese eure Leserschaft ja keinen Deut besser als die „Kapitalisten“ – wenn man den Artikeln Glauben schenken darf: fressen, saufen (bzw. Drogen allgemein) und ficken als Triebkräfte – bis hin zur ehelichen Vereinigung mit dem politischen Gegner. Ein Klischee reißt das nächste – von den niederen Motiven, sich für Polit-Arbeit zu interessieren (Sex), bis zur Nummer mit der Windenergie: Da verdienen doch tatsächlich böse Kapitalisten an der Politik der rot-grünen Fraktion.

Aus meiner Sicht war die Nummer nicht klug. Aber so könnt ihr zumindest lesen, was die Konkurrenz an euch wirklich beschäftigt. Und es zeigt, dass der Mut machende Kommentar auf der ersten Seite zwar eine schöne Idee, aber in der Praxis nicht umzusetzen ist: dass sich die VertreterInnen der unterschiedlichen politischen Richtungen zusammensetzen und gemeinsam an Ideen zur Verbesserung arbeiten.

Immerhin: Dass nun so viel Häme geschrieben wurde – das ist dann doch überraschend und insofern schon wieder gut.

Schön, dass es die taz gibt – auf die nächsten 25 Jahre.

STEPHAN DIETRICH