: Im Osten Deutschlands wohnt die Furcht
Ostdeutsche fürchten sich vor Altersarmut. Noch nie hatten sie so viel Angst wie in diesem Jahr, hat eine Versicherungs-Studie ermittelt. Vor allem die Wirtschaftsdepression drückt aufs Gemüt. Im Westen hingegen wächst die Zuversicht
BERLIN taz ■ Im Osten steigt die Angst. Nie seit der Wende war sie so groß wie heute. In ihren Zukunftssorgen driften Ost und West immer weiter auseinander, ergab einer Studie der R+V Versicherung, die seit 1991 Jahr für Jahr rund 2.400 Deutsche nach ihren Ängsten befragt. Während der Durchschnitts-Wessi heute furchtloser lebt als noch im Vorjahr, bangen immer mehr Ostdeutsche um Job, Konjunktur und Rente. Ihre Angst vor Altersarmut erreicht in diesem Jahr einen Spitzenwert.
Wie schon in den Vorjahren haben die Deutschen am meisten Angst vor dem leeren Geldbeutel. Auf Platz 1 der Sorgenskala liegen steigende Lebenshaltungskosten, gefolgt vom Bangen um die Wirtschaftslage. Aber auch vor Politikern ängstigen sich die Deutschen – vor solchen, die das Bürgerwohl nicht kümmert (Platz 4).
In Ost wie West gilt: Allgemeine Ängste übertreffen die persönlichen. Deutsche fürchten weit mehr, Opfer eines Terroranschlags zu werden (Platz 5), als im Alter pflegebedürftig zu sein (Platz 6) oder schwer zu erkranken (Platz 7). Die Angst, die Ehe könnte scheitern – sie landet auf dem letzten, dem 15. Platz. „Es ist heute wesentlich leichter, einen neuen Partner zu finden als einen neuen Arbeitsplatz“, erklärt Christian Lüdke, seines Zeichens Psychologe und „Angstexperte“. Doch selbst hier gilt: Die Sorge um den eigenen Job ist geringer als die Furcht vor steigender Arbeitslosigkeit im Allgemeinen. Berliner trotzen der Statistik besonders mutig: Die Angst, den Job zu verlieren, ist bei ihnen gesunken, trotz einer Arbeitslosenquote von über 17 Prozent. Die Ostdeutschen sind da pessimistischer als die Berliner. Jeder Zweite bangt hier um den Job.
Bundesweit sind Frauen ängstlicher als Männer, sie fürchten sich gemäß der Rollenklischees: Die traditionellen Ernährer sorgen sich um den Job – Frauen um die Kinder. Weit mehr als in den Vorjahren bangen sie, der Nachwuchs könnte Alkohol oder Drogen verfallen. „Ein Grund dafür ist wohl die Diskussion um Alkopops und der Umstand, dass immer mehr Jugendliche Joints rauchen“, so erläuterte es Rita Jakli von der Versicherung.
Auch quält Frauen stark wie nie die Angst, im Alter zu verarmen – so weit die Studie, die allerdings als Auftragsarbeit gerade solche Ängste abprüfen dürfte, die einer Versicherung neue Kundenkreise öffnen.
Ein Jahr nach dem Irakkrieg ist immerhin eine Sorge gemindert: Nur noch jeder Vierte fürchtet einen Krieg mit deutscher Beteiligung – ein Rückgang um 20 Prozent. Ähnlich verringerte sich die Furcht, Opfer einer Straftat zu werden.
Zukunftssorgen, so ermittelten es die Versicherer, unterliegen auch örtlichen Trends. Wer sorgenfrei leben möchte, sollte lieber in die Hauptstadt ziehen als ein paar Kilometer weiter in der Provinz. Denn Brandenburger sind die ängstlichsten Deutschen, Berliner aber landen auf dem vorletzten Platz. Nur in Hessen lebt es sich noch unbeschwerter. COSIMA SCHMITT