Finanzielle Verhältnisse wie in den letzten Tagen der DDR

Was Schröder und Merkel verschweigen: Der Wertverlust staatlichen Eigentums übersteigt die Neuinvestitionen. Wäre er einkalkuliert, böte sich eine Bilanz wie 1989 in der DDR

BERLIN taz ■ Mit Ach und Krach schafft es Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) im Haushalt für 2005, das notwendige Geld für Zukunftsinvestitionen zusammenzukratzen. So weit, so schön: Die Investitionen liegen mit 22,8 Milliarden Euro knapp über der Neuverschuldung (22 Milliarden), wodurch der Haushalt nicht mit der Verfassung kollidiert. Sind es aber die richtigen Stellen, an denen der Bund investiert? Und vor allem: Steht genug Geld im Vergleich zum Bedarf zur Verfügung?

Einer der wenigen Bereiche, für die Rot-Grün mehr Geld ausgibt als bisher, ist die Bildung. Dieser Etat ist mit fast 9,7 Milliarden Euro so hoch wie nie zuvor. Im Jahre 2000 betrug das Budget noch 7,7 Milliarden Euro. Unter dem Druck der schlechten Ergebnisse des Pisa-Schulvergleichs hat Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) einiges auf den Weg gebracht, um der Wirtschaft künftig besser ausgebildeten Nachwuchs schicken zu können.

Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Einrichtung von Ganztagsschulen. Hierfür hat der Bund bis zum Jahr 2007 ein Investitionsvolumen in Höhe von insgesamt 4 Milliarden Euro bereitgestellt. Um auch Schlechtergestellten ein Studium zu ermöglichen, wurde das Bafög bereits dieses Jahr auf 890 Millionen Euro erhöht. Ebenfalls erhöht wurde und wird die Forschungsförderung an Hochschulen. 2005 sind 0,9 Milliarden Euro für den Aus- und Neubau von Hochschulen vorgesehen.

Trotz der Erhöhung ist der Bedarf, der nicht gestillt werden kann, augenfällig. Um einen modernen Unterricht beispielsweise an Grundschulen zu bieten, müssten die Kultusministerien der Länder Tausende neue Lehrer einstellen. Jede Klasse, jeder Kurs bräuchte einen Internetanschluss, die Hälfte der alten Lernmaterialien müsste man ersetzen. Die Kommunen und Bundesländer haben dafür aber kein Geld. Ein Grund sind die zu geringen Überweisungen durch den Bund.

Einen leichten Zuwachs gibt es bei den Verkehrs- und Bauinvestitionen. Nach 10,7 Milliarden Euro in diesem Jahr sollen 2005 nun 10,8 Milliarden zur Verfügung stehen. Auch unter Rot-Grün fließt dabei mehr Geld in den Bau von Straßen als in den von Eisenbahnstrecken. Während die Bahn gut 3,5 Milliarden Euro bekommen soll, steht für Fernstraßen rund eine Milliarde mehr zur Verfügung – was Umweltverbände wie der BUND kritisieren.

Die Investitionen auf allen anderen Feldern stagnieren dagegen oder gehen sogar zurück. Insgesamt sinken die Investitionen um 1,8 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr. Diesen Einschnitt erklärt Dieter Vesper vom Deutschen Institut für Wirtschaftsförderung mit dem Rückgang der Steuereinnahmen.

Sowieso ist Deutschland weit davon entfernt, einer Empfehlung der Europäischen Union von 1993 nachzukommen. Bis 2004 sollten die öffentlichen Investitionen auf 2,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts steigen. Deutschland liegt aber weit unter 2 Prozent. Damit ist klar: Zu wenig Geld wird in Wasser- und Gasleitungen, Verkehrswege und Gebäude investiert, um den Wohlstand in Zukunft sichern zu können: Die gegenwärtige Generation lebt auf Kosten der nächsten.

Dabei ist das wahre Missverhältnis hinter den Zahlen des Bundeshaushaltes verborgen. Dieser enthält keine Werte für die Abschreibungen, also den Wertverlust des öffentlichen Eigentums. Würde dieser einkalkuliert, wäre der Saldo negativ: Der Wertverlust ist höher als die Ersatzinvestition. So war es auch am Ende der DDR.BERT BUGDAHL, HANNES KOCH