Sorgfältige Todesvision

Ein künstlerisches Konzept ließ sich nicht finden, aber die Besucherzahlen stimmten: Am Mittwoch ging das 14. Musikfest Bremen zu Ende. Das Abschlusskonzert bestritt Nikolaus Harnoncourt

Gewünscht hätte man sich beim Musikfest ein bisschen mehr Konzept, dafür ein bisschen weniger von den Konzerten, die sich eindeutig Sponsorengeschmäckern zuordnen lassen. Zu begrüßen ist alles, was dem Trend zur Konzert-Perlenkette zuwiderläuft – Beispiele dafür waren die Auftritte der „Artists in Residence“ Anne Sofie von Otter, Marc Minkowski und Kristjan Järvi‘s Absolute.

Insgesamt sprachen die Veranstalter von einem Erfolg: Im Vergleich zum Vorjahr habe man rund 20% mehr Einnahmen und Besucher verzeichnen können. Rund 22.000 Besucher wurden bei den insgesamt 27 Veranstaltungen gezählt. Damit wurde bei einem Gesamtkartenangebot von 26.720 Plätzen eine Auslastung von 80% erreicht.

Künstlerisch eher verunglückt war der Auftritt der Bremer Philharmoniker, die sich unter der faden Leitung von Peter Maxwell Davies leider erheblich unter Wert verkauften. Geglückt hingegen war die Bildung eines neuen Orchesters als Musikfest Bremen Symphony Orchestra aus der deutschen Kammerphilharmonie und dem Chamber Orchestra of Europe, das unter der Leitung von Roger Norrington eine Berlioz‘sche Fantastische Sinfonie so realisierte, dass man gerne von einer Sternstunde spricht. Und geglückt auch der Versuch, das Gelände des Barockschlosses Gödens in Ostfriesland als Veranstaltungsort zu nutzen.

Zum Abschluss also Nicolaus Harnoncourt mit Franz Schuberts Fragment „Lazarus oder: Die Feier der Auferstehung“. Das seltsame Werk bedient als Gattungszwitter keinerlei Erwartungshaltungen – vergangenen Dienstag erfuhr es unter der durch und durch atmenden und sorgfältigen Wiedergabe durch den Concentus Musicus Wien und den phänomenalen Arnold Schönberg-Chor eine Wiedergabe, die den „schönsten Genuß“ nachempfinden ließ, von dem Johannes Brahms 1863 sprach, nachdem er Schuberts Werk kennengelernt hatte.

„Lazarus“ hat Schubert selbst „Kantate“ genannt, aber auch „szenisches Oratorium“ heißt es im Untertitel des Textbuches. In einem ersten Teil stirbt Lazarus, ausgestattet mit kontemplativer, modulationsreicher Musik, die zum schönsten zählt, was Schubert geschrieben hat. Im zweiten wird Lazarus beerdigt und der Hörer wird konfrontiert mit einem dramatischen Element: dem Auftritt des Zweiflers Simon mit unerhört wilder Musik. Die „Auferstehung“ fehlt, Harnoncourt ließ an dieser Stelle eine selten zu hörende Arie für Tenor, Chor und Orchester spielen.

Die genialische Todesvision des 23-jährigen Schubert zeugt von seinem tiefem Glauben an den Tod als Erlösung, wie wir es aus vielen seiner Lieder kennen. Die GesangssolistInnen – Michael Schade als Lazarus, Elisabeth von Magnus als Martha, Luga Orgonasova als Maria und Martina Jankova als Jemina, aber auch Florian Boesch als Simon und James Tylor als Nathanael – boten neben den Schönheiten ihrer Stimmen eine regelrechte Lehrstunde in der Kunst des Pianissimo-Singens – allein das: fabelhaft. Ute Schalz-Laurenze