: Die Tasse Tee am Dancefloor-Rand
Adamski, einer der ersten Superstars der Rave-Szene, heißt jetzt Adam Sky und spielt heute Abend in Berlin. Ein Gespräch über das Altern als DJ, die Zeit, als niemand auf Ibiza ein Telefon besaß, und das Gefühl, von George Michael gecovert zu werden
Interview ULF LIPPITZ
taz: Sie arbeiten seit fünfzehn Jahren in der Clubkultur. Ist es schwierig, als DJ alt zu werden?
Adam Sky: Man wird besser, solange man sich nicht an Drogen verbrennt, weil man eine Menge an Fähigkeiten, Wissen und Erfahrung akkumuliert. Einer meiner wichtigsten Einflüsse in den späten Achtzigern war Alfredo auf Ibiza. Er war schon damals nicht jung. Heute legt er zusammen mit seinem Sohn auf. Das ist doch mal ein DJ-Team: Vater und Sohn.
Wie war Ihr erstes Treffen mit Alfredo?
Chaotisch. Das war 1989 – also in der Zeit vor Mobiltelefonen und als niemand auf Ibiza ein Telefon zu haben schien. Paul Oakenfold stellte mir Alfredo im Londoner Büro vor. Am folgenden Montag sollten wir uns auf dem Flughafen in Ibiza treffen, weil ich im Amnesia spielte. In London fand am Wochenende aber ein Open-Air-Festival statt. Ich feierte drei Nächte lang durch, schlief im Zug zum Flughafen ein und verpasste meine Haltestelle, mein Flugzeug und Alfredo. Ich musste die nächste Maschine nehmen und mich auf der Insel mit meinem ganzen Equipment auf dem Rücken durchfragen, bis ich jemanden traf, der ihn kannte.
Seit zwei Jahren legen Sie im Londoner „Nag Nag Nag“ auf – einem gehypten Electro-Pop-Club. Können Sie sich an die ersten Tage des Clubs erinnern?
Da waren etwa fünfzehn Leute dort. Damals war die Party noch unter einem kleinen schwulen Pub in Chinatown. Das Aufregendste war eine Toilette, die ständig kaputt war und den Dancefloor überspülte. Dann zog „Nag Nag Nag“ in das „Ghetto“ um, und alles ging sehr schnell. Eine Woche waren hundert Leute dort – und eine Woche später steht eine Schlange um den ganzen Block! Im Moment ist es mein Lieblingsladen. Ich fühle mich revitalisiert durch die Art und Weise, wie Leute dort ihrer Individualität über Mode Ausdruck verleihen. Als ich mit dem Promoter, Johnny Slut, mein neues Projekt live vorgestellt habe, trat er als grüne, metallene Fliege auf. Toll!
Wie kann man sich die Musik vorstellen?
Psycho-Electro-Cabaret. Es geht um puren Spaß – und das bei einem Laptop-Projekt. Seit Jahren sehe ich ja Soundingenieure auf Bühnen gekrümmt über den Dingern hängen und denke: Oh Gott, ist das langweilig. Aber bei uns ist es theatralisch, visuell und unterhaltsam. Ich bin immer aufs Neue erstaunt, wie viel Krach ich aus so einer kleinen Kiste herausholen kann. Ich bin mittlerweile sehr gut darin. In den Neunzigern verbesserte ich meine Fähigkeiten, indem ich hauptsächlich viele schlechte Sachen produzierte.
Zum Beispiel?
Mein zweites Album. Ich hatte mit „Killer“ 1990 einen Hit, der nicht auf der ersten Platte war. Das Label forderte, schnell ein Album nachzuschieben. Ich hatte keine Ahnung, was ich tat. Davor hatte ich mit einem Sequenzer zufällig den Nerv der Zeit getroffen. Plötzlich ging ich in das piekfeine Studio von Peter Gabriel und verprasste Geld.
Als das Album floppte, fühlten Sie Zorn? Enttäuschung?
Schlimmer. Ich fühlte Erniedrigung – weil ich mich dazu hergegeben hatte, etwas zu veröffentlichen, womit ich nicht glücklich war. Ein Gefühl, das ich nie wieder erleben wollte.
Hat es Sie überrascht, als später George Michael den Hit sang?
Absolut. In der Schule verarschte ich meinen Banknachbarn, weil er total auf Wham! stand. Ich hörte damals Bands wie The Cramps. Mein Traum war, ein Lied mit Devo aufzunehmen. Es hat mich ganz schön erwischt, als ich hörte, George Michael würde nun einen Song von mir singen.
„Killer“ wurde damals mit Seal aufgenommen. Haben Sie heute noch ein Verhältnis zu seiner Musik?
Nein. Gestern habe ich die neue Single gehört. Da war ein ekliger, kommerzieller House-Beat unterlegt. Aber das Unheimliche kommt erst noch: Sowohl sein als mein neuer Song beginnen mit denselben Worten: „Now it’s the time“. Das nenne ich mal einen Zufall. Ich meine, es handelt sich nicht um irgendwelche obskuren Wörter. Aber warum haben wir dieselben Worte zu Beginn ausgewählt?
Eine telepathische Beziehung?
Keine Ahnung. Ich bin ihm dieses Jahr nach langer Zeit wieder begegnet. Auf dem Weg zu ihm hatte ich ein nicht weniger merkwürdiges Treffen: Ich sah meinen besten Schulfreund wieder, der seit neun Jahren als Junkie auf der Straße lebt. Für eine halbe Stunde habe ich mit ihm über das Leben auf der Straße, seine Krankheiten und so weiter geredet. Dann treffe ich Seal und unterhalte mich darüber, wie sein Equipment Rost ansetzt und was für Probleme er mit seinem Strandhaus in Mexiko, seinem Haus in Kanada und dem in Beverly Hills hat.
Auf welcher Seite stehen Sie?
Auf keiner. Es ist nur so komisch, wenn ich daran denke, dass wir früher alle drei zusammen heftig abgefeiert haben. Mit meinem Freund, der auf der Straße lebt, habe ich mein erstes LSD genommen. Mit Seal habe wir die Rave-Szene Ende der Achtziger entdeckt.
Das kann man sich heute kaum vorstellen.
Nein, heute trägt er elegante Hemden und hat Kunstbücher auf dem Kaffeetisch.
Wie sieht Ihr Leben aus?
Ich lebe in Barcelona mit zwei wunderschönen Töchtern. In der Woche bin ich für sie da, am Wochenende lege ich irgendwo auf. Seit acht Jahren nehme ich keine Drogen und trinke keinen Alkohol mehr.
Gar keine Drogen?
Früher bestand mein Leben daraus, in kürzester Zeit so viel Alkohol und wer weiß was zu mir zu nehmen. Es ist immer noch surreal, wenn ich auf Partys keine chemische Substanzen in mir spüre. Trotzdem bin ich zufriedener. Es gefällt mir, das Gegenteil von dem zu tun, was alle anderen machen. Das führt auch zu bizarren Situationen: Letztes Jahr fand ich mich um vier Uhr morgens auf einem Dancefloor in Moskau wieder, um mich herum tanzten alte, dicke Mafiatypen mit ihren hübschen Model-Freundinnen auf Ecstasy – und ich stand in der Mitte mit einer Tasse Tee in der Hand.
Wie fühlte sich das an?
Gesünder. Wesentlich gesünder.
Adam Sky & Terranova Soundsystem, Heute ab 23 Uhr im Water-Gate, Falckensteinstraße/Oberbaumbrücke