„Machinima“: der Name einer Kunstform

Ballerspiele wie „Quake“ und „Doom“ sind noch immer der Schrecken aller Eltern und Lehrer. Doch die fortgeschrittene Programmiertechnik, die dahinter steckt, macht noch den billigsten Kaufhauscomputer zum kreativen Filmstudio

Der Name entstand aus der Verschmelzung der Worte „machine“ und „cinema“. Er bezeichnet Animationsfilme, die durch die Software von Computerspielen zum Laufen gebracht werden. Moderne Versionen solcher Spiele enthalten unter anderem eine so genannte 3-D-Engine, ein Programmmodul, das in der Lage ist, in Echtzeit alle Bewegungen der Figuren in ihrer jeweiligen Umgebung in dreidimensionalen Ansichten darzustellen.

Für den gesamten Programmkern eines Computerspiels hat sich inzwischen die Bezeichnung „Game-Engine“ eingebürgert, die Mitte der 90er-Jahre aufkam, als einzelne Komponenten von 3-D-Ego-Shootern wie „Quake“, „DOOM“ und später „Unreal“ von den Spielern modifiziert werden konnten. Nicht allein die Bewaffnung, auch die Umgebung des Spiels ließ sich nun verändern und erweitern. Eine Legende besagt, dass 1996 eine Gruppe namens „The Rangers“ aus dem Spiel „Quake“ ein „Diary of a Camper“ erzeugte, indem sie die Spielfiguren wie Schauspieler einsetzte und deren Bewegungen speicherte: Das erste „Machinima“ war entstanden.

Ausgangspunkt eines Machinima ist in der Regel auch heute noch ein Spiel, dessen Komponenten zum Schauplatz eines Films umgebaut werden. Aus den Ballermännern werden Kameramänner, die Game-Engine sorgt automatisch dafür, dass die virtuellen Räume, Personen und Aktionen aus diesem Blickwinkel heraus korrekt zusammengebaut werden.

Obwohl mit Spielesoftware erzeugt, muss ein Machinima aber nicht auch so aussehen: Die Figuren können wie bei der klassischen, am Computer erzeugten 3-D-Animation, mit einer üblichen 3-D-Software erzeugt werden. Nur ist das prinzipiell auch auf jedem Billig-PC möglich, auf dem ein moderner Ego-Shooter läuft. Die nötigen Anleitungen dazu sind auf der Website www.machinima.com zu finden.

Die Möglichkeiten des Genres sind noch lange nicht ausgeschöpft. Es erlaubt spontane Filmproduktionen, und bislang haben Urheberrechtsanwälte dieses Gebiet noch nicht entdeckt. Wer kein Geschäft damit macht, darf bislang mit jeder Engine anstellen, was er will. Auch Profis: Die Science-Fiction-Schmiede „Industrial Light & Magic“ (ILM) hat mit einer Game-Engine eine Voransicht für Steven Spielbergs „A.I.“ produziert. Und auf dem Filmfestival in Florida begeisterte letztes Jahr die interaktive Machinima-Holzfällertruppe von Paul Marino („Common sense cooking“) das Publikum. Zu den bekanntesten Produktionen der Gattung zählt „Anachronox: The Movie“, ein Science-Fiction-Sielfilm. Mit Tommy Pallottas „In the waiting line“ für die Popgruppe Zero 7 war dieses Jahr der erste Machinima-Musik-Clip auf MTV und Viva zu sehen.

Ein höheres ästhetisches Niveau hat die „Eschaton“-Serie von Hugh Hancocks Produktionsfirma Strange Company erreicht. Die Spielerei wird Kunst. Bereits zum zweiten Mal wird Ende Oktober in New York ein ganzes Machinima Festival stattfinden, diesmal im American Museum of the Moving Image.

verena@de-bug.de