Ein Preis ist kein Preis

Skandal im „Verband kommunaler Unternehmer“-Bezirk: Auszeichnung samt 3.000 Euro wird Hörfunkjournalisten erst zu-, dann wieder aberkannt

von SEBASTIAN SEDLMAYR

Eigentlich wollte Werner Rügemer in Mannheim einen Journalistenpreis entgegennehmen, doch nun fuhr er nur zum Recherchieren in die Industriestadt. Die Mannheimer Stadtwerke hatten vor Jahren das erste „Cross-Border-Leasing“, kurz CBL, in der Geschichte der Bundesrepublik abgeschlosen. Und diese kaum zu durchschauenden Geschäfte zwischen deutschen Kommunen und US-amerikanischen Investoren interessieren den Kölner Journalisten.

Sein Beitrag „Ein fragwürdiges Instrument: Mit CBL wollen Städte und Kommunen ihre Finanzen sanieren“ für den Deutschlandfunk hielt der Verband kommunaler Unternehmer (VKU) für derart gelungen, dass er Rügemer bei seinem diesjährigen Journalistenpreis den ersten Platz der Kategorie Hörfunk zusprach. Rügemer wurde aber schließlich nicht zur Preisverleihung geladen. Stattdessen erhielt er am Montag vor der Gala einen Anruf des Jury-Vorsitzenden Hagen Beinhauer: „Wir müssen Ihnen den Preis aberkennen.“ Bei der Vorbereitung für die Verleihung sei ihm aufgefallen, dass Rügemer „sich mit der Sache gemein“ mache. Zur Begründung erhielt Rügemer von Beinhauer einen offenen Brief an die Kölner Stadtwerke, die heute GEW RheinEnergie heißen. Darin warnt Rügemer mit anderen Prominenten vor dem geplanten Verleasen des Kölner Trinkwassernetzes. „Nach meinem journalistischen Verständnis und dem der übrigen Jurymitglieder bedeutet auch die Unterschrift unter einen Aufruf, sich gemein machen mit der Sache“, schreibt Beinhauer an den designierten Preisträger. Sinngemäß wiederholt der Jury-Vorsitzende diese Begründung bei der Preisverleihung, ohne Rügemers Namen zu nennen, aber nicht ohne „ein Wort an den enttäuschten Autor“: Das private Engagement gegen CBL sei „für einen fairen Journalismus alles andere, nur nicht beispielgebend“.

Das sieht Rügemer anders. Bei seiner journalistischen Arbeit seien ihm viele Risiken für den städtischen Haushalt beim Abschluss solcher Verträge mit einer Laufzeit von 99 Jahren aufgefallen. „Man ist nie nur Journalist, sondern immer auch Bürger“, sagt er. Er habe es als seine „Bürgerpflicht“ gesehen, zu protestieren. Möglich, dass genau diese Nähe zum konkreten Geschäft dem VKU nicht geschmeckt hat. In der Jury saß schließlich auch Christoph Preuß, seines Zeichens Sprecher der GEW. Eigeninteressen des VKU vermutet jedenfalls das Netzwerk von Globalisierungsskeptikern Attac, selbst gegen CBL engagiert: „Die Cross-Border-Lobby schlägt zurück“, so Attac-Pessesprecher Malte Kreutzfeldt. „Nachdem sie sich mit Argumenten nicht durchsetzen kann, versucht sie jetzt, unliebsame Journalisten abzustrafen.“

Nach dem Statut des VKU sind Arbeiten von Autoren, die zugleich Interessen vertreten, grundsätzlich vom Wettbewerb ausgeschlossen. Wenn die Unterschrift unter dem offenen Brief an die GEW dem VKU als unzulässige Interessenvertretung gilt, hätte er Rügemer allerdings gar nicht nominieren dürfen. Der Brief datiert vom 22. Mai 2003 und müsste in der GEW bekannt gewesen sein. Auch auf Demonstrationen, etwa vor dem GEW-Hauptgebäude, hat Rügemer seine kritische Haltung immer wieder öffentlich ausgedrückt. Nun überlegt er, auf Herausgabe des Preisgelds von 3.000 Euro und wegen Rufschädigung gegen den VKU zu klagen.

Die Gala des VKU endete trotzdem harmonisch. Schließlich war der kritische Geist vor der Tür geblieben. So konnte Laudator Beinhauer konstatieren: „Das Bild der Stadtwerke in der Presse ist ebenso gut wie ihr Bild im Spiegel der Bilanzen.“