: Colin Powell spricht von Völkermord in Darfur
US-Regierung verschärft Ton gegen Sudan. UNO berät neue 30-Tage-Frist zur Eindämmung der Milizen in Darfur
BERLIN taz ■ US-Außenminister Colin Powell hat die Vorgänge in der sudanesischen Krisenregion Darfur gestern als „Völkermord“ bezeichnet. „Wir haben festgestellt, dass in Darfur Völkermord begangen worden ist, dass die Regierung des Sudan und die Dschandschawid [regierungstreue Milizen in Darfur, d. Red.] die Verantwortung tragen und dass der Völkermord möglicherweise noch weitergeht“, sagte Powell dem außenpolitischen Ausschuss des US-Senats. Es war die erste derartige Äußerung eines US-Regierungsmitglieds zu dem Krieg in Darfur, der seit Frühjahr 2003 50.000 Tote und über 1,2 Millionen Vertriebene produziert hat. Der Begriff „Völkermord“ erzwingt völkerrechtlich ein militärisches Eingreifen. Der US-Kongress hatte den Krieg in Darfur bereits Ende Juli mit diesem Begriff belegt.
Powell sagte, seine Qualifizierung gründe sich auf eine Untersuchung des US-Außenministeriums, in deren Rahmen 1.136 Vertriebene in Darfur befragt wurden. 61 Prozent der Befragten hätten die Tötung eines Angehörigen mit angesehen, ein Drittel hätten dabei „rassische Zuordnungen“ wahrgenommen.
Der afro-amerikanische US-Bürgerrechtler Jesse Jackson rief in Reaktion zu einem US-Militäreinsatz in Sudan auf. Sudans Regierung reagierte scharf. Der US-Außenminister sei ein „Elefant im Porzellanladen“, sagte der Vizepräsident des Parlaments.
Powells Äußerung erfolgte, während der UN-Sicherheitsrat Beratungen zu einem neuen, von den USA eingebrachten Resolutionsentwurf zu Sudan aufnahmen. In Rücksicht darauf, dass wichtige Ratsmitglieder wie China wegen ihrer Ölinteressen Strafmaßnahmen gegen Sudan ablehnen, ist der Entwurf milde gestimmt. Er setzt der Regierung des Sudan eine neue Frist von 30 Tagen, um in Darfur Angriffe der regierungstreuen Dschandschawid-Milizen auf die Zivilbevölkerung in Darfur zu stoppen.
Bereits am 30. Juli hatte der UN-Sicherheitsrat das gefordert und eine 30-Tage-Frist gesetzt. Ende August hatte UN-Generalsekretär Kofi Annan festgestellt, dass der Sudan die Forderungen nicht erfüllt hatte. In der Resolution von Ende Juli war dem Sudan bei Nichterfüllung mit „Maßnahmen“ gedroht worden. Diese unspezifische Drohung wird jetzt auch wiederholt. Allerdings wird diesmal präzisiert, dass die zu erwägenden Maßnahmen auch „in Bezug auf den Ölsektor“ getroffen werden könnten. Ölexporte sind Sudans wichtigster Devisenbringer.
Im Vergleich zur vorigen Darfur-Resolution enthielt der gestern vorgelegte Entwurf zwei Neuerungen: Er sieht eine Flugverbotszone über Darfur und eine internationale Untersuchungskommission für Menschenrechtsverletzungen in Darfur vor. DOMINIC JOHNSON
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