Olympiaverlierer bittet um zweite Chance

Die Serie zur NRW-Kommunalwahl am 26. September. Heute: Wir haben in Düsseldorf das breiteste Grinsen der Welt

Düsseldorf?Landeshauptstadt und Regierungssitz mit 580.000 Einwohnern, davon immerhin jeder zehnte ohne Job. Straßenbahnen und Flughafen-Schwebebahn ständig kaputt, die Königsallee auch nicht mal mehr halb so exklusiv, wie sie einmal war. Andere selbst ernannte Markenzeichen der Stadt: Altbier, längste Theke der Welt, Fortuna und Campinos Hosen. Wem‘s gefällt...Wer hat was zu verlieren?Schwarz-gelb hatte 1999 neun Ratssitze Vorsprung vor Rot-Grün und will diesen zumindest halten.Wer regiert im Rathaus?Joachim Erwin, 55 Jahre alt, Jurist. Rechtzeitig vor der Wahl hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung gegen den CDU-Mann eingestellt. Erwin sieht sich als Justizopfer, wittert ohnehin häufiger Verschwörungen von „verrückten Kommunisten“. Gilt als Unternehmerfreund und Saubermann, hat sich durch hartes Vorgehen gegen Sinti und Roma, Drogenabhängige und Bettler viele Feinde gemacht. Unterstützt Großprojekte und hat sich bis zum bitteren Ende für Düsseldorfs gescheiterte Olympiabewerbung durch die Fernsehkameras gegrinst. Wer will da rein?Essens Sozialdezernentin Gudrun Hock will Erwin aus dem Rathaus vertreiben. Die Sozialdemokratin („Kümmern statt Kungeln“) setzt auf Lagerwahlkampf: Dezentrale Stadtteilentwicklung soll Großprojekte ersetzen, dazu verspricht sie mehr Betreuung für Kleinkinder und Junkies. Hat in den vergangenen Wochen versucht, aus Erwins Steuergeschichten Kapital zu schlagen und demonstrativ ihre Einkünfte aus Nebenbeschäftigungen offen gelegt. Bekommt nach Einstellung der Ermittlungen gegen Erwin nun Gegenwind. Auch in den Rat will: Die Liste des Ex-Rechtsradikalen und mittlerweile angeblich geläuterten Torsten Lemmer. Wer hat die schönsten Wahlplakate?Die geschmacklosesten Plakate hat zweifellos die Lemmer-Liste. Torsten Lemmer hat unbestätigten Angaben zufolge Leni Riefenstahl als Fotografin angeheuert und blickt visionär und kruppstahl-hart in die Ferne. Wer solche Klischees bedient, muss sich nicht von seiner Vergangenheit distanzieren. Ansonsten: Gudrun Hock zeigt ihr Perlweiss-Lächeln, Joachim Erwin verteidigt sicher seinen Ruf als Grinseweltmeister.Die taz-Prognose?Ein Ergebnis gibt es erst Mitte 2005, weil die Wahl wegen einer falsch abgegebenen SPD-Wahlliste angefochten wird. Bis dahin ist Joachim Erwin wegen groben Unfugs verurteilt und Gudrun Hock wird Oberbürgermeisterin. Super Taktik! KLAUS JANSEN