Nur Hoeneß tanzt den Tango

Die Herthaner agieren in Nürnberg leider wieder glücklos. Zwar will der Manager nach dem 0:0 eine „Mannschaft aus einem Guss“ gesehen haben. Doch Trainer Götz sagt: „Das reicht einfach nicht“

VON CHRISTIAN ROTHMUND

Als Dieter Hoeneß nach dem erlösenden Abpfiff dieses Spiels in der Nürnberger WM-Baustelle Frankenstadion über eine „WM-Baumaßnahme“ stolperte und sich dabei ungeahnt grazil abfing – so wie es sonst wohl nur Cary Grant einst in Nizza hätte tun können – da hatte das durchaus Symbolkraft. Etwas Banales, vor so vielen Fernsehkameras oftmals sogar Peinliches wie den Sturz in einer Baustelle verwandelte der mächtige Manager von Hertha BSC flugs in einen ästhetischen Tango-Ausfallschritt.

Bei den Erklärungsversuchen zu dem Auftritt seines Teams beim torlosen Unentschieden gegen den Aufsteiger 1. FC Nürnberg war dann auch Hoeneß’ ganze ästhetische Wandlungskraft gefragt: Ein „streckenweise fantastisches Spiel“ wollte der Manager allen Ernstes gesehen haben, „wie aus einem Guss“ sei seine Mannschaft aufgetreten. Ob sich hinter den kaum nachvollziehbaren Phrasen des Fußballfunktionärs taktisches Kalkül oder Realitätsverlust verbirgt, bleibt natürlich im Verborgenen. In Wahrheit war die Partie noch nicht einmal das, was Fußballexperten gerne ein „Null zu null der interessanteren Sorte“ nennen, es war ein Null zu null der völlig uninteressanten Sorte.

„Man hat schon gemerkt, dass beide Mannschaften zuletzt zu viele Tore bekommen haben und das erst einmal abstellen wollten“, versucht sich Nürnbergs Verteidiger Tomasz Hajto in Fußball-Diplomatie, dies sei dann ja auch gelungen. „Schön“, gibt Hajto allerdings zu, nein, schön sei das natürlich nicht.

Trotz der Freuden, die Falko Götz wohl seinem Manager mit den „wunderbaren Spielzügen“ bereitet hat, zeigte sich der Berliner Coach nach dem fünften sieglosen Spieltag durchaus unzufrieden: „Wieder nur unentschieden. Das reicht einfach nicht. Die letzte Konsequenz, der letzte Pass haben mir gefehlt, dennoch hätten wir hier gewinnen müssen.“ Seine Entscheidung, Fredi Bobic aus dem Spiel zu lassen und stattdessen auf das Sturmduo Nado Rafael/Artur Wichniarek zu setzen, verteidigte der Coach: „Gegen die sperrigen Nürnberger Innenverteidiger waren wendige Typen gefragt. Bobic hätte auch nicht mehr ausrichten können. Ich finde Artur und Nando haben ihre Sache nicht schlecht gemacht.“

Die im Ansatz durchaus ansehnlichen Offensivbemühungen der Berliner, bei denen Wichniarek und Rafael im Sturm von den Brasilianern Gilberto und Marcelinho mit oftmals schönen Pässen versorgt wurden, endeten aber meist am Nürnberger Strafraum. Die aus Unachtsamkeit der Nürnberger Abwehr entstandenen ernst zu nehmenden Chancen vergaben Wichniarek (11. Minute), Marcelinho (30.) und Gilberto (33.).

Nürnberg kaprizierte sich unterdessen bis zur Mitte der zweiten Halbzeit gänzlich auf das, was Club-Trainer Wolfgang Wolf später „Ordnung der Defensivarbeit“ nennen sollte, „Angsthasenfußball“ könnte man das gemeinerweise auch nennen.

Nürnberg hatte, so Verteidiger Hajto, „ein oder zwei halbe Chancen“, also maximal eine ganze. Die Berliner Niko Kovac und Josip Simunic bekamen unnötige Gelbe Karten, Malik Fathi musste sich zweimal die Schuhe binden. Viel mehr gibt es von der Partie nicht zu berichten.

Oder doch: „Ich finde, wir haben uns heute sehr gut verkauft.“ Dies stammt nicht von Hoeneß, sondern von dessen Nürnberger Amtskollegen Martin Bader. Die hohe Schule der ästhetischen Wandlung hat der Manager der Franken in seinen acht Jahren Berliner Lehrzeit bei Dieter Hoeneß gelernt. An seinem grazilen Tango-Ausfallschritt, meinte Hoeneß, müsse Bader aber noch ein wenig arbeiten.